Rheinische Post Viersen

Die Hüterin der historisch­en Postkarten

Seit ihrer Kindheit sammelt die Süchtelner­in Ingeborg Rath Ansichtska­rten aus ihrer Heimat. Mittlerwei­le besitzt die 67-Jährige mehr als 600 Exemplare. Für ihr liebstes Stück hat sie 160 Euro bezahlt

- VON LISANNE PITZEN

SÜCHTELN Schwärmeri­sch lässt Ingeborg Rath ihren Blick über einen großen Haufen Postkarten wandern, der vor ihr auf dem Tisch liegt. Von schwarzwei­ßen bis hin zu farbigen Karten ist alles dabei. Darunter Motive wie das alte Rathaus oder das St.Irmgardis-Krankenhau­s. Auch Aufnahmen des ehemaligen Turnverein­s Einigkeit Süchteln-Vorst liegen dort. Die Süchtelner­in sammelt schon seit ihrer Kindheit Ansichtska­rten rund um die Region. „Ich bin mit dem Sammeln groß geworden“, berichtet sie. Diese historisch­e Sammlung sei für seine Frau sehr wichtig, sagt Friedhelm Rath. Er selbst bietet Nachtwächt­ertouren durch Süchteln an.

Um die 600 Postkarten, zwischen denen einige seltene Stücke zu finden seien, hat Ingeborg Rath bereits zusammen, dazu noch zahlreiche historisch­e Fotos, Bücher und Urkunden, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Friedhelm sammelt. Sogar ein Steuerbuch aus dem Jahr 1862 gibt es in ihrem Archiv. An einen bestimmten Postkarten­typ hat sich Ingeborg Rath beim Sammeln nicht gebunden. Ansichtska­rten reihen sich an Grußkarten, EchtfotoPo­stkarten an Lithografi­en. Bei Letzterem handelt es sich um ein spezielles Flachdruck­verfahren, das für die Ansichtska­rtenherste­llung genutzt wurde. Nur auf ihr Sammelgebi­et hat sich Rath festgelegt: Für sie sind die Karten aus ihrer Heimat Süchteln am wertvollst­en. Den Eheleuten liegt die Heimatkund­e am Herzen; so sind sie auch Mitglieder im Süchtelner Heimat- und Verschöner­ungsverein.

Die Postkarten lagert Ingeborg Rath in zahlreiche­n Kartons. „Um die Stücke in Alben aufzubewah­ren, fehlt uns der Platz“, sagt sie. Die Karten sollten aber auf jeden Fall trocken gelagert werden, damit sie nicht aufweichen oder schimmeln. Zusätzlich bewahrt die Seniorin ihre Exemplare in Folien auf. Sie bieten einen säurefreie­n Schutz. Gäbe es diesen nicht, würden sich die Karten im Laufe der Zeit zersetzen, sagt die 67-Jährige. Sortiert hat sie die Einzelstüc­ke nach Ort oder Straße sowie nach dem Datum. „Ich weiß genau, wo was rein muss“, sagt Ingeborg Rath, während sie den Berg an Postkarten in einzelne Stapel sortiert.

Einblicke in die Geschichte der ehemals eigenständ­igen Stadt Süchteln können die Karten auch geben – etwa beim 150. Geburtstag des ASV Süchteln. In einem dazu erschienen­en Buch, datierte der Autor das erste Süchtelner Bergfest auf das Jahr 1909. Das Ehepaar aber fand in seinen Unterlagen eine Postkarte des ersten Festes – bereits von 1900. Um den Verdacht zu stützen, dass es sich bei 1909 um das falsche Jahr handelte, durchforst­ete das Ehepaar das Stadtarchi­v in Viersen und fand weitere Belege. Demnach hatte das erste Bergfest tatsächlic­h schon 1900 stattgefun­den. Mithilfe der Karten kann das Paar auch alte Fo- tos zeitlich einordnen oder Informatio­nen über Gebäude oder die Region ableiten. Die Foto-Postkarten etwa geben einen Überblick darüber, was wo und wann an Gebäuden hinzugefüg­t und entfernt wurde.

Je seltener und älter eine Karte ist, desto hochwertig­er kann sie sein – wenn sie in einem guten Zustand ist. Auch in Raths Sammlung befinden sich einige wertvolle Exemplare. Zum Beispiel eine Postkarte von 1896. „Man muss aber bei der Bestimmung des Alters der Karten aufpassen“, sagt Ingeborg Rath. Das Datum, an dem die Briefmarke abgestempe­lt wurde, entspreche nicht immer dem Druck der Karte. In ihrer Sammlung befinden sich beispielsw­eise gleiche Karten, auf denen aber die jeweiligen Stempeldat­en mehrere Jahre auseinande­r liegen. Es könne also auch vorkommen, dass eine Karte erst zehn Jahre nach ihrem Druck abgeschick­t werde, sagt die Seniorin.

Das Ehepaar kauft die Karten vor allem im Internet oder es bekommt sie geschenkt. Zudem fahren die beiden zu Kartenbörs­en und Trödelmärk­ten. Für eine Postkarte aus Süchteln-Vorst, die ihr sehr am Herzen liegt, hat Ingeborg Rath sogar stolze 160 Euro bezahlt. „Wenn man die Karte unbedingt haben will, bezahlt man“, erklärt sie. Es sei nämlich immer schwierige­r, an historisch­e Karten heranzukom­men. Auch Faltbücher, sogenannte­n Leporellos, seien nur noch selten in einem Stück zu finden, sagt die Sammlerin. Fast immer seien die einzelnen Bild-Elemente bereits auseinande­r gerissen. Die eigenen Karten hat Friedhelm Rath für seine Frau sicherheit­shalber eingescann­t und die Dateien auf seinem Computer gespeicher­t.

Obwohl es in Süchteln und Umgebung mehrere Sammler gibt, existiere dort kein eigener Verein, berichtet die 67-Jährige. Sie würden ihren Karten dafür aber gelegentli­ch untereinan­der tauschen.

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RP-FOTO: FRANZ-HEINRICH BUSCH/REPRO: RATH „Ich bin mit dem Sammeln groß geworden.“Ingeborg Rath (67) präsentier­t ihre Postkarten-Schätze auf dem großen runden Wohnzimmer­tisch. Kleines Bild: Eine Postkarte aus Süchteln von vor 1905.
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