Rheinische Post Viersen

Azubis proben deutsches Handwerk aus

Tischler-Nachwuchs aus Frankreich furniert, leimt und sägt derzeit in Werkstätte­n in der Region. Die neun Jugendlich­en nehmen an einem Austausch der Handwerksk­ammer Düsseldorf und des Berufskoll­egs Viersen teil

- VON JIOTA KALLIANTER­IS

VIERSEN Besonders im Handwerk ist ein besorgnise­rregender Rückgang an Auszubilde­nden zu verzeichne­n. Dass eine Ausbildung im Handwerksb­ereich ganz und gar nicht unattrakti­v ist, zeigt das Engagement der Handwerksk­ammer Düsseldorf. Jährlich bietet sie in Zusammenar­beit mit dem Berufskoll­eg Viersen und der französisc­hen Gesellenve­reinigung „Compagnons du Devoir“für Tischler-Azubis aus dem Kammerbezi­rk einen deutsch-französisc­hen Austausch an. Die Institutio­nen möchten mit dieser speziellen Weiterbild­ung Selbststän­digkeit, Mobilität und Weltoffenh­eit der jungen Leute fördern.

Noch bis Mitte November sind neun französisc­he Tischler-Azubis im Alter von 16 bis 20 Jahren zu Gast. Sie lernen neben fachspezif­ischen Fertigkeit­en in den Ausbildung­sbetrieben auch Land, Leute, Kultur und Sprache kennen. Im Gegenzug sind im Frühjahr 2018 acht deutsche Azubis im westfranzö­sischen La Rochelle zu Gast.

Werkstattl­eiter Andreas Kleinbylen betreut die französisc­hen Azubis an zwei Werkstatt-Tagen. „Sie sind mit Begeisteru­ng bei der Sache. Gestern wollten sie gar nicht mit dem Arbeiten aufhören“, erzählt der Tischlerme­ister und lacht. William Lacroix (16) etwa hat neue Fertigkeit­en im Furnieren gelernt. „Wir sind sehr gut empfangen worden“, sagt er. Zu erfahren, wie die Deutschen arbeiten, mache sehr viel Spaß. Auch Wiland Mabine (20) ist ganz in seinem Element. „Die Werkstatt hier ist sehr modern, und ich habe neue Maschinen kennengele­rnt“, sagt er.

„Für diesen Austausch melden sich in der Regel diejenigen an, die an einer persönlich­en Weiterentw­icklung interessie­rt sind“, berichtet Danièle Hamdan, stellvertr­etende Schulleite­rin des Berufskoll­egs Viersen. „Für uns als Europa-Schule ist dieses Projekt eine Bereicheru­ng und fest in unserem Programm verankert.“Sie hofft, dass mehr Ausbildung­sbetriebe diese Chance ergreifen, um das Potenzial ihrer Lehrlinge als zukünftige Führungskr­äfte auszuschöp­fen. Rebecca Hof, Mobi- litätsbera­terin der Handwerksk­ammer Düsseldorf und Betreuerin des Projekts, ist zuversicht­lich. „Das deutsch-französisc­he Zusammentr­effen hat sich über die Jahre etabliert und bewährt. Viele Betriebe ermögliche­n ihren Azubis diese Horizonter­weiterung“, sagt sie. Die Ju- gendlichen kämen mit neuen Inspiratio­nen, Ideen und Fertigkeit­en zurück, die ihrem Ausbildung­sbetrieb zugute kämen.

Benedikt Diekamp, Lehrer für das Tischlerha­ndwerk, ergänzt: „Reisen bildet. Und jeder Betrieb möchte, dass der Nachwuchs zu verantwort­ungsvollen Persönlich­keiten mit Führungsqu­alitäten heranreift.“Gerade in Zeiten von Fachkräfte­mangel im Handwerk sei die Motivation­ssteigerun­g wichtig. Man müsse den Jugendlich­en Perspektiv­en für die Ergreifung eines Handwerksb­erufs bieten. 2009 lag die Quote der Azubis im Handwerk mit Auslandser­fahrung bei zwei Prozent, wohingegen es für ein Drittel der Studenten üblich sei, ein Auslandsse­mester oder -praktikum zu absolviere­n. „Zurzeit liegt die Quote für die Azubis im Handwerk bei 4,5 Prozent. Wir haben also schon eine Steigerung erreicht“, sagte Rebecca Hof. Ziel sei es, bis 2020 zehn Prozent der Handwerker-Azubis einen ausbildung­sbegleiten­den Aufenthalt zu ermögliche­n.

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FOTO: PAKA Im Werkraum des Berufskoll­egs wird interkultu­rell gearbeitet: Austausch-Lehrling William Lacroix (l. ) und Wiland Mabine (2. v. l.) probieren vor anderen Projektbet­eiligten die Maschinen aus.

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