Rheinische Post Viersen

„Ich wollte immer Kapitän werden“

Uve Mißfeldt aus Brüggen leitete bis zur Pensionier­ung die Polizeiwac­he in Dülken. Geboren ist er in Husum, und ans Wasser zieht es den 80-Jährigen nach wie vor: Zum Geburtstag hat er sich selbst eine Weltreise geschenkt

- VON BIRGITTA RONGE

BRÜGGEN Am Dreikönigs­tag sticht Uve Mißfeldt wieder in See. Dann bricht 80-Jährige zu einer Weltreise auf, die er sich selbst zum runden Geburtstag geschenkt hat. Bis April will er Venedig, Marseille, Casablanca, die Fidschi-Inseln und Singapur gesehen haben, in Kolumbien, Mexiko, Indonesien, Oman und Jordanien an Land gegangen sein.

Die See hat Uve Mißfeldt immer gereizt. Geboren wurde er im friesische­n Husum, „gegenüber von Theodor Storms Grab stand mein Elternhaus“. Der Vater war vor dem Krieg als Maschinenb­au-Ingenieur bei den Dornier-Flugzeugwe­rken in Wismar tätig, dann bei der Kriegsmari­ne in Wilhelmsha­ven. „Nach

„Ich habe alles erlebt, auch Flugzeugab­stürze“

Uve Mißfeldt

Ehem. Leiter der Polizeista­tion

dem Krieg gab es in Husum keine Arbeit“, erinnert sich Uve Mißfeldt. Der Vater fand eine Stelle bei einer Firma in Rheydt, die Familie zog um. Für den damals 17-jährigen Uve war das hart: „Ich bin ja an der See groß geworden, war jeden Tag am Hafen und am Wasser. Ich habe geweint, als meine Mutter sagte: ,Die Gummistief­el-Zeit ist vorbei.’“

Sein Abitur baute er am Math.Nat.-Gymnasium in Mönchengla­dbach, mit ehemaligen Klassenkam­eraden und dem jetzt 90-jährigen Klassenleh­rer trifft sich Mißfeldt heute noch, „und alle fünf Jahre machen wir eine Fahrt“. Unterwegs zu sein, das gehört für Mißfeldt zum Leben. Allein im vergangene­n Jahr unternahm er sechs Kreuzfahrt­en. „Ich wollte immer Kapitän werden“, erinnert er sich. „Aber man hat mir gesagt, dass man dann neun Monate auf See ist und drei Monate zu Hause. Und das wollte ich nicht, da kann man keine Familie gründen.“

Statt zur See ging Mißfeldt zur Polizei. 1959 begann er mit der Ausbildung in Münster, kam in Wuppertal aufs Revier. 1965 wurde er Kommissar und arbeitete einige Monate in Remscheid, bevor er 1966 Lehrer an der Polizeisch­ule in Wuppertal und Essen wurde. „In zehn Jahren habe ich da bestimmt 1000 oder 1500 Polizeisch­üler ausgebilde­t“, sagt er. In Wuppertal lernte er auch seine spätere Frau Erika kennen: „Der Onkel meiner Frau hatte die Stadiongas­tstätte des Wuppertale­r SV“, erzählt Mißfeldt. „Sie hat ihm oft geholfen. Die Polizeista­tion war gleich gegenüber.“1965 heirateten die beiden, bekamen drei Töchter.

1975 zog die Familie nach Brüggen. Mißfeldt übernahm in Dülken die Leitung der Polizeista­tion. Er war Chef von rund 75 Polizisten, die sich um Dülken, Süchteln, Boisheim, Schwalmtal und Niederkrüc­hten kümmerten. 1990 kam Viersen hinzu, „da hatte ich rund 120 Beamte“. Die letzten drei Jahre vor dem Ruhestand 1997 arbeitete Mißfeldt wieder als Dozent, diesmal in Braunschwe­ig.

„Die Wache zu leiten war sehr interessan­t“, berichtet Mißfeldt. „Ich habe alles erlebt, auch Flugzeugab­stürze.“Eine Militärmas­chine stürzte in Boscherhau­sen ab, eine andere im Hardter Wald. Daran erinnert sich Mißfeldt ebenso wie an große Demonstrat­ionen, Ostermärsc­he, an denen tausende Menschen teilnahmen. Unglücksfä­lle und Verbrechen begleitete­n seinen berufliche­n Alltag. „Meinen ersten Toten habe ich in der Ausbildung gesehen. Er war unter einen Lkw gekommen. Da ist mir schlecht geworden.“Er sagt aber auch: „Durch die vielen Toten im Laufe der Zeit eignet man sich eine gewissen Härte an. Meine Frau hat immer gesagt: ,Was bist du hart’, aber das ist oft nur nach außen. Und ich habe mehr gesehen als alle anderen.“Das lag auch daran, dass Mißfeldt als Leiter der Wache immer dabei sein wollte: „Ich habe immer Wert darauf gelegt, dass ich gerufen werde, wenn es einen tödlichen Vorfall gegeben hatte, auch nachts. Die Kollegen waren froh darüber – auch wenn ich gar nichts gemacht habe. Aber ich war da, und sie konnten mich fragen.“

Während heute immer häufiger über Angriffe auf Polizisten berichtet wird, kennt Mißfeldt noch andere Zeiten. „In Wuppertal konnte ich allein auf Streife gehen. Man kannte alle, blieb stehen und sprach mit den Leuten.“Auch bei den Gaunern war er bekannt: „Ich hatte einen Kleinkrimi­nellen, der war 30, 35 Mal in Haft. Da bin ich immer allein hin und habe ihm gesagt: ,Pack deine Kulturtasc­he.’ Und er sagte: ,Wie viel diesmal?’“Die Ausrüstung war in den Anfangsjah­ren gering: „Wir hatten damals nix, auch kein Funk- gerät. Nur eine Trillerpfe­ife. Bei Gefahr musste man drei Mal pfeifen, und ich habe mich immer gefragt: Wer hört das?“Doch er sei im Dienst nie verletzt worden, „toi, toi, und ich habe auch nie schießen müssen.“

Seit zehn Jahren ist Mißfeldt nun Witwer. Die drei Töchter sind 50, 47 und 42 Jahre alt, vier Enkel zwischen 14 und 20 Jahren gehören zur Familie. Wenn Mißfeldt nicht auf Reisen ist, besucht er Jazzkonzer­te („New Orleans Jazz und Traditiona­l Jazz“) und spielt Skat. 16 Jahre war er Vizepräsid­ent des deutschen Skatverban­ds, den Skatklub Neuss leitete er über 30 Jahre. Heute spielt er noch täglich am Computer. Und er liest viel – „nur Krimis“. Für die Weltreise haben ihm seine Töchter jetzt ein Lese-Tablet geschenkt: „Ich kann ja nicht mit einem Koffer voller Bücher auf Weltreise gehen.“

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FOTO: MISSFELDT Damals waren die Polizeiuni­formen noch Grün: Uve Mißfeldt begann 1959 mit der Ausbildung in Münster, 1965 wurde er Kommissar, ab 1966 war er Lehrer an der Polizeisch­ule in Wuppertal und Essen.
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FOTO: BIRO Der 80-jährige Uve Mißfeldt freut sich auf seine Weltreise.
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FOTO: MISSFELDT Uve Mißfeldt wollte eigentlich Kapitän werden.

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