Mehr Betreuung für Grundschüler
Union, FDP und Grüne sind sich einig, dass flächendeckende Ganztagsangebote für Grundschüler nötig sind. Dagegen reicht den Grünen das Angebot, zehn Kohlekraftwerke abzuschalten, nicht aus.
BERLIN Eltern sollen im Fall einer Jamaika-Koalition einen Rechtsanspruch darauf erhalten, dass ihre Kinder im Grundschulalter ganztägig betreut werden. Dieses Ziel haben Union, FDP und Grüne bei ihren Beratungen über die Familienpolitik grundsätzlich festgehalten. „Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler“, heißt es in dem Familienpapier der Jamaika-Unterhändler, das unserer Redaktion vorliegt.
Uneinig waren sich die Unterhändler aber zunächst noch bei der Umsetzung. Die FDP stellt das Vorhaben unter Finanzierungsvorbehalt und will wie die Grünen im Gegenzug das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildungspolitik kippen. CDU und CSU fordern eine Umsetzung nach der im Sozialgesetzbuch geregelten Kinder- und Jugendhilfe, die unter anderem die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen regelt.
Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums steigt die Zahl der unter elfjährigen Kinder in Tages- einrichtungen seit Jahren. Die Zahl der Grundschulkinder in der Hortbetreuung stieg demnach zwischen 2015 und 2016 erneut um fast 12.000. In ganz Deutschland wurden im vergangenen Jahr mit den Angeboten der Hortbetreuung 16,2 Prozent der Grundschulkinder in dieser Altersgruppe versorgt.
Der Bedarf aber, den Eltern anmelden, ist viel höher als das Angebot. Nach einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung wünschen sich drei Viertel der Eltern eine Ganztagsbetreuung. Ein bedarfsgerechter Ausbau wäre nach einer weiteren Studie der Stiftung ein enormer Kraftakt. Um für 80 Prozent der Schüler bis 2025 einen Ganztagsschulplatz anzubieten, müssten Bund und Länder zusätzlich 3,3 Millionen Plätze schaffen. Allein an Personalkosten fielen zusätzlich 2,6 Milliarden Euro pro Jahr an.
Für alle Kinder ab dem ersten Geburtstag bis zum Grundschulalter besteht seit dem 1. August 2013 bereits ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Für viele Familien, in denen Mutter und Vater einer bezahlten Arbeit nachgehen, fangen mit der Einschulung die Nöte an.
Derzeit unterscheidet sich das Betreuungssystem für Grundschüler von Land zu Land. Während im Osten oft ein von Erziehern geführter Hort an die Grundschule angegliedert ist, findet im Westen an den Ganztagsschulen auch teilweise am Nachmittag Unterricht statt. Unabhängig davon, welches System die Familien nutzen, bleiben die Hausaufgaben vielfach trotz der Betreuung unerledigt.
CDU, CSU und Grüne bekennen sich in dem Familienpapier ferner zu einem Rechtsanspruch auf befristete Teilzeitarbeit. Die Grünen verlangen dies schon für Betriebe ab 15 Mitarbeitern, während die Union eine Betriebsgröße ab 200 Mitarbeitern zugrunde legen sowie klären lassen will, ob der Anspruch anlasslos, für Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen gelten soll.
Unstrittig ist unter den vier Parteien, Familien finanziell zu entlasten. Der Bezug von familienbezogenen Leistungen soll zielgenauer und unbürokratischer gestaltet werden. In dem Familienpapier heißt es dazu: „Dabei steht für uns die Bekämpfung von Kinderarmut in einem besonderen Fokus.“
Im Streit über die Klimaziele haben Union und FDP die Abschaltung von bis zu zehn größeren Kohlekraftwerken angeboten. Das geht aus einem anderen Dokument der Jamaika-Unterhändler hervor. Grünen-Chefin Simone Peter hat das Angebot abgelehnt. „Das, was da auf dem Tisch liegt, das reicht den Grünen nicht aus“, sagte Peter. Leitartikel Seite A2 Wirtschaft Seite B 3