Vetorecht für Kommunen gegen G8
Schwarz-Gelb hat den Gesetzentwurf vorgestellt, der die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium in NRW regelt. Ministerin und Schülervertretung fordern nun die Schulen auf, sich zügig zu entscheiden.
DÜSSELDORF Nordrhein-Westfalen hat den ersten Schritt gemacht, zum neunjährigen Bildungsgang am Gymnasium (G9) zurückzukehren. Das Kabinett verabschiedete gestern einen entsprechenden Gesetzentwurf. Kernpunkt: Zum Schuljahr 2019/20 stellen die gut 500 öffentlichen Gymnasien im Regelfall auf G9 um, und zwar in den Klassen 5 und 6. Schulen, die beim achtjährigen Bildungsgang (G8) bleiben wollen, brauchen dafür eine Mehrheit von zwei Dritteln plus einer Stimme in der Schulkonferenz. Sie setzt sich zu gleichen Teilen aus Lehrern, Eltern und Schülern zusammen. Für die derzeit 115 privaten Gymnasien gilt die „Leitentscheidung“nicht.
Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sagte nach der Kabinettssitzung: „Die Rückkehr zu G9 ist eines der wichtigsten landespolitischen Vorhaben.“Die Unzufriedenheit mit dem „Turbo-Abi“gilt als einer der Hauptgründe für die Abwahl der rot-grünen Vorgängerregierung.
Für die Verlängerung der Schulzeit sind nach Einschätzung des Mi- nisteriums rund 2300 zusätzliche Lehrerstellen nötig; ab 2026 benötigen die Schulen zudem Räume für den zusätzlichen Jahrgang. Über die Kosten hat das Ministerium nach eigenen Angaben noch keine genaue Vorstellung; Schätzungen gehen von einem hohen dreistelligen Millionenbetrag aus. Ein unabhängiger Gutachter soll den Bedarf ermitteln.
Grundsätzlich liegt die Entscheidung über einen Verbleib bei G8 bei den Schulen. Die Schulträger, meist die Kommunen, sollen allerdings ein Vetorecht erhalten, wenn „zwingende Entwicklungsgründe“gegen G8 sprechen. Dieser Fall könnte etwa eintreten, wenn eine Kommune befürchten muss, dass ihr einziges Gymnasium gefährdet wäre, weil es bei G8 bleiben will, daher aber zu wenige Anmeldungen erhält.
Die Verbände, also etwa Lehrer und Eltern, haben bis Ende des Jahres Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Gebauer will den Gesetzentwurf dann Anfang 2018 in den Landtag einbringen; bis zu den Sommerferien soll das Gesetz verabschiedet sein. Die verbindliche fachliche Ausgestaltung des neuen G9 ist Gegenstand der Ausbildungs- und Prü- fungsordnungen, die erst danach geändert werden können.
Vorgesehen ist unter anderem ein Pensum von 188 Wochenstunden von Klasse 5 bis 10 – neun mehr als im „alten“G9 vor 2005. Das soll auch im Halbtagsbetrieb möglich sein. Acht der 188 Stunden sind freiwillige Ergänzungsstunden der Schulen. Ob die zweite Fremdsprache wieder in Klasse 7 oder wie im G8 bereits in Klasse 6 einsetzt, ist noch unklar. Ein „schulfachliches Eckpunktepapier“sei „in der Endfassung“, hieß es aus dem Ministerium.
Der Philologenverband, die Vertretung der Gymnasiallehrer, ist daher unzufrieden. „Diese scheibchenweise Information erhöht die Unsicherheit an den Schulen und leistet neuen Gerüchten Vorschub“, sagte Landeschef Peter Silbernagel. Er forderte „zügig Informationen, wie die Landesregierung die verbliebenen G8-Schulen stärken will“.
Gebauer sagte: „Ich wünsche mir, dass die Schulen die Frage jetzt noch intensiver in den Blick nehmen, ob sie bei G8 bleiben wollen.“Das sei wichtig, „damit sie den Eltern möglichst bald Klarheit verschaffen können“. Auch die Landesschülervertretung sieht die Schulen in der Pflicht: „Wir empfehlen, die Gremien jetzt einzuberufen und möglichst schnell eine Tendenz verlauten zu lassen“, sagte Vorstand Luca Samlidis. Die SPD-Opposition kritisierte Gebauer: „Es kann nicht sein, dass die grundsätzlichen Entscheidungen auf die Schulen vor Ort abgewälzt werden“, sagte der schulpolitische Sprecher Jochen Ott.