Schlaflos in Deutschland
Nach einer neuen Studie schläft jeder Vierte zu kurz. Rund 40 Prozent der Erwerbstätigen kommen nachts nicht richtig zur Ruhe, weil sie den Stress im Job mit ins Bett nehmen. Ist der Mittagsschlaf am Arbeitsplatz die Lösung?
BERLIN Sind Sie ausgeschlafen? Haben Sie heute Nacht den Kopf frei bekommen? Ist Ihr Zwischenspeicher sortiert? Wenn es nach Utz Niklas Walter ginge, würden Vorgesetzte ihren Mitarbeitern solche Fragen öfter stellen. Der Leiter des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (Konstanz) wirbt für einen „Kulturwandel in der Arbeitswelt“. Immerhin schläft nach einer Studie der Techniker Krankenkasse (TK) jeder Dritte in Deutschland schlecht. 39 Prozent der Beschäftigten haben Schlafprobleme, weil sie den Stress im Beruf quasi mit ins Bett nehmen. Schon der Fußballtrainer Hans Meyer hat es gesagt: „Das Wichtigste ist der Schlaf.“
Walter, ein ausgeschlafener, sportlicher Typ, stellte seine Ideen gemeinsam mit TK-Chef Jens Baas und Peter Wendt, bei der Krankenkasse für die repräsentative Umfrage unter 1000 Bürgern zuständig, gestern in Berlin vor. Eine Schlafpause der Mitarbeiter am Arbeitsplatz von 15 Minuten wäre nach Walters Ansicht ein Riesengewinn für Unternehmen. Denn in den nächsten drei Stunden nach dem kurzen „Powernapping“würde sich die Leistung unmittelbar verbessern. Dabei wisse er um den „Aufschrei“von Arbeitgebern, wenn sie das Wort Schlafpause hörten. Als besonders fleißig gelte schließlich, wer kaum Pausen mache. Wer mehr Jeder Dritte in Deutschland schläft schlecht, ein Viertel der Menschen schläft zu wenig. Frauen schlafen schlechter als Männer. In allen Kategorien von „Wenn ich aufwache, fühle ich mich gut ausgeruht“über „Ich kann nicht durchschlafen“bis zu Einschlafproblemen schneiden Frauen schlechter ab. Am schlechtesten schlafen die Bürger in der Region Sachsen/ Sachsen-Anhalt/ Thüringen. Hier gaben 21 Prozent der Menschen Einschlafprobleme an. In NRW schlafen 17 Prozent schlecht und in Baden-Württemberg fünf Prozent. 39 Prozent der Berufstätigen geben beruflichen Stress als Grund für Schlafprobleme an. Schlaf brauche, gelte als „Penner“. Walter mahnt: „Sorgen wir in Deutschland also weiterhin dafür, dass Erwerbstätige ihrem erhöhten Schlafbedürfnis am Nachmittag nicht nachgehen können, verschenken wir enorme Chancen für Produktivitätszuwächse und höheres Wohlbefinden.“
Auch Baas wirbt eindringlich um „betriebliches Gesundheitsmanagement“. Dazu gehöre eben der Schlaf. „Wir brauchen ihn, damit unser Gehirn seinen Zwischenspeicher sortieren kann, damit wir ein funktionierendes Gedächtnis und Bewusstsein haben, damit wir regenerieren und am nächsten Tag wieder funktionieren können.“Wer nicht genug schlafe, werde krank.
Der Studie zufolge schläft jeder vierte Erwachsene zu wenig: kürzer als sechs Stunden. Und wer schlecht schlafe, leide häufiger an Muskelverspannungen und Rückenschmerzen (54 Prozent der „Schlechtschläfer“, während es bei den „Gutschläfern 35 Prozent sind), fühle sich erschöpft (44 zu 21 Prozent) oder sei gereizt (33 zu neun Prozent).
Am schlechtesten können die Bürger in der Region Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen einschlafen: 21 Prozent. Die Experten tippen auf eine hohe Pendler-Quote in den drei Bundesländern. Pendeln bedeute in der Regel einen größeren Zeitaufwand, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen. In Nordrhein-Westfalen sind es 17 Prozent und in Baden-Württemberg fünf Prozent, die länger Schäfchen zählen müssen, bis sie einschlafen.
Frauen schlafen insgesamt schlechter als Männer – bei weitem nicht nur, weil ihre Partner oft schnarchen. Frauen wachen eher schon bei leichten Geräuschen auf (33 Prozent zu 13Prozent bei den Männern). Größter Schlafkiller ist das Fernsehen (54 Prozent bei den 40- bis 59-Jährigen). Und interessanterweise geben 69Prozent der Befragten an, sie könnten auf das Fernsehen am Abend am ehesten verzichten. Die meisten Schlafstörungen haben aber insgesamt Erwerbstätige in Schichtarbeit. 42 Prozent von ihnen geben an, dass sie Umstellungs- und Schlafprobleme haben, wenn sich ihr Schichtplan ändert. Eine Nachtschicht kostet 56 Prozent mehr Energie als eine Frühschicht.
Walter hat noch einen Vorschlag: Schlafkonzerte, bei denen man Musik im Liegen genießt und dabei auch einschlafen darf. Das sei ein progressiver Ansatz in Unternehmen. Wichtig sei aber, dass Chefs es vorlebten, die „Kultur gegen die Unachtsamkeit“zu verändern.
Eine Nachtschicht kostet 56 Prozent mehr Energie als eine Frühschicht