Freiraum am Wir-Tag
Nordrhein-Westfalen will die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage verdoppeln. Von Entfesselung spricht die Regierung, in Wahrheit aber ist es Raubbau.
Ja, klar, gemeinsam einkaufen gehen zu können, das passt ebenfalls nur schwer in den familiären Alltagsplan und könnte auch am Sonntag erledigt werden. Aber ist es die gemeinsame Shoppingtour wert, dass dafür so viele Menschen – vor allem Frauen – im Einzelhandel ihrer Frei-Zeit, ihres Frei-Raums und ihres Wir-Tags beraubt werden?
Für die NRW-Landesregierung ist es das offenbar wert. Sie setzt auf die Verdoppelung der verkaufsoffenen Sonntage und auf die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten an Samstagen bis Mitternacht. „Entfesselungspaket“klebt als Etikett auf diesem Vorhaben, von dem man sich Rettung für den Einzelhandel verspricht, der mit der Konkurrenz rund um die Uhr erreichbarer Onlinehändler zu kämpfen hat.
Mir ist der Preis, den viele Beschäftigte im Einzelhandel und am Ende auch wir als Gesellschaft insgesamt für diese Politik zahlen müssen, zu hoch. Für mich bedeutet diese Entfesselung Raubbau an dem, was menschenfreundlich ist, an dem, was zu unserer Kultur gehört, und an dem, was unsagbar wertvoll für das Wir ist: gemeinsame Zeit. Und gottvergessen ist’s am Ende auch noch, denn nach der biblischen Überlieferung verdanken wir Gott dem Schöpfer den Ruhetag – seinen Ruhetag für ihn, für uns, fürs Wir. Denn Wir sind mehr als Arbeiten, Verdienen und Kaufen. Morgen ist wieder Wir-Tag. Machen Sie gemeinsam mit anderen etwas draus!