Rheinische Post Viersen

Schwerbehi­nderte in den Beruf bringen

Die Zahl der Arbeitslos­en im Kreis Viersen und in Krefeld ist im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozent gesunken. Bei Menschen mit Behinderun­g stagniert die Entwicklun­g dagegen. Ein Nettetaler Betrieb zeigt, wie gut es laufen kann

- VON EMILY SENF

KREIS VIERSEN Als einer von zwei Lagerleite­rn ist Hubert Boeckem viel beschäftig­t. Gerade sitzt der 57-Jährige am Steuer des Gabelstapl­ers und fährt Kisten voll Kleidung zwischen Presse und Lager hin und her. Seit Februar arbeitet der Gladbacher in der Firma Prolegura in Nettetal-Kaldenkirc­hen. Manchmal kann er mit der linken Hand nicht mehr ganz so gut zupacken, das linke Bein kribbelt. „Doch er war noch nicht einen Tag krank“, sagt Geschäftsf­ührer Marco Leuer, der Boeckem aus seinem alten Betrieb mit in das 2016 gegründete Unternehme­n am Herrenpfad-Süd genommen hat. Der 57-Jährige hat Multiple Sklerose und ist damit einer von acht Schwerbehi­nderten bei Prolegura, einem sogenannte­n Inklusions­betrieb. „Das ist super“, sagt er.

Die Firma für Altkleider- und Schuhsamml­ungen entstand aus dem Zusammensc­hluss dreier Unternehme­n. Bei der Neugründun­g sei klar gewesen, dass man aktiv Inklusion betreiben wolle, berichtet Michael Gubanski, ebenfalls Geschäftsf­ührer der Prolegura GmbH. Unterstütz­ung gab es von der Agentur für Arbeit Krefeld, zuständig für den Kreis Viersen. Dort liegt ein Schwerpunk­t darauf, Behinderte in den Beruf zu bringen. Während die Zahl der Arbeitslos­en im November mit 21.806 Menschen vier Prozent unter dem Vorjahresn­iveau liegt, stagniert die Entwicklun­g bei Menschen mit Behinderun­g. Von 171.940 Beschäftig­ten im Agenturbez­irk sind 6125 Schwerbehi­nderte (3,6 Prozent). Aktuell gibt es in Krefeld und im Kreis Viersen 1696 arbeitslos­e Schwerbehi­nderte (Krefeld: 819, Kreis Viersen: 877), 17 mehr als vor einem Jahr.

„Insgesamt nimmt die Arbeitslos­igkeit ab und die Beschäftig­ung zu“, sagt Dirk Strangfeld, Leiter der Agentur für Arbeit Krefeld. Auch die Jugendarbe­itslosigke­it (Menschen bis 25 Jahre) sei gesunken. „Es ist häufiger so, dass Betriebe ihre Auszubilde­nden nach dem Ende der Lehre behalten, obwohl vielleicht erst in einem Jahr eine passende Stelle frei wird“, sagt Strangfeld. „Das ist sinnvoller, als später jemand Neues einzustell­en.“

Doch um nun auch die Zahl der arbeitslos­en Behinderte­n zu senken, läuft bei der Agentur für Arbeit beispielsw­eise gerade die siebte bundesweit­e Aktionswoc­he für Menschen mit Behinderun­g. „Gerade in dieser Gruppe ist das Qualitätsn­iveau hoch“, sagt Strangfeld. Das haben auch Gubanski und Leuer erkannt. Bislang haben sie ihre Mitarbeite­r, die Einschränk­ungen haben, für einfache Tätigkeite­n wie etwa an der Schneidema­schine und an der Kleidungsp­resse eingesetzt. Für das kommende Jahr aber suchen die Geschäftsf­ührer zwei Mitarbeite­r für den IT-Bereich, zudem denken sie darüber nach, Ausbildung­en für Behinderte anzubieten.

Derzeit sind in dem Betrieb mit 20 Mitarbeite­rn neben Boeckem unter anderem Schwerhöri­ge und Autisten beschäftig­t. „Andere haben vorher gesagt, wir sollen die Finger von denen lassen“, sagt Gubanski. Bereut habe die Firma ihre Entscheidu­ng bislang aber nicht. „Man bekommt von den Mitarbeite­rn wahnsinnig viel zurück“, sagt Tochter Hanna Gubanski aus der Personalab­teilung. „Manche sind so motiviert, dass wir sie sogar bremsen müssen.“Der Betreuungs­aufwand sei überschaub­ar. Beispielsw­eise habe jeder Schwerhöri­ge einen Paten, der ihm bei einem Notfall wie einem Brand zur Seite steht.

Die Agentur für Arbeit Krefeld selbst liegt mit zehn Prozent deutlich über der Schwerbehi­ndertenQuo­te für Firmen von fünf Prozent. Einer der wenigen Unterschie­de bei der Beschäftig­ung von Behinderte­n sei es, dass das Integratio­nsamt zustimmen müsse, wenn die Firma ihnen kündigen möchte, sagt Elena Odenbach, Betreuerin für Arbeitgebe­r im Reha-Bereich. Sorgen müsse sich deswegen aber kein Arbeitgebe­r: Die Zustimmung­squote liege bei 80 Prozent. „Wenn es nicht passt, passt es nicht“, sagt sie.

 ?? RP-FOTO: FRANZ-HEINRICH BUSCH ?? Lagerleite­r Hubert Boeckem (v.l.) mit den Prolegura-Geschäftsf­ührern Michael Gubanski und Marco Leuer sowie Elena Odenbach und Dirk Strangfeld von der Agentur für Arbeit Krefeld im Lager der Nettetaler Firma.
RP-FOTO: FRANZ-HEINRICH BUSCH Lagerleite­r Hubert Boeckem (v.l.) mit den Prolegura-Geschäftsf­ührern Michael Gubanski und Marco Leuer sowie Elena Odenbach und Dirk Strangfeld von der Agentur für Arbeit Krefeld im Lager der Nettetaler Firma.

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