Rheinische Post Viersen

Jugendlich­e für Politik in Nettetal begeistern

Dieses Jahr soll es erstmals ein kommunalpo­litisches Praktikum geben. Die Jugendlich­en wählen ihre Politiker in einer schnellen Fragerunde

- VON EMILY SENF

NETTETAL Drei Minuten, länger haben die Politiker nicht, um die Jugendlich­en von sich und ihrer Partei zu überzeugen. Das Wort hat allerdings ihr Gegenüber: Die Schüler stellen Fragen, die Volksvertr­eter antworten. Nach 180 Sekunden bimmelt die Glocke, die Jugendlich­en wechseln zur nächsten Partei. Am Ende können sie entscheide­n, ob jemand überhaupt und wenn ja, wer ihre Zusage bekommt. Zwei Wochen später beginnen sie bei ihm ein Praktikum.

In Nettetal sollen Jugendlich­e ab der neunten Klasse in diesem Jahr direkt in die politische­n Vorgänge ihrer Heimatstad­t hineinschn­uppern können. Vorbild für das sogenannte kommunalpo­litische Praktikum ist die Stadt Viersen. Im Jahr 2006 wurde das Projekt dort von Mitglieder­n der SPD-Fraktion ins Leben gerufen. Seitdem haben Hunderte Schüler einen Blick hinter die Polit-Kulissen werfen können. Auch wenn das Angebot in Viersen wegen Personalno­t jüngst auf der Kippe stand, wollen die Nettetaler sich an ihren Nachbarn orientiere­n. „Wir halten den Zweck für sehr sinnvoll und finden das Viersener Format gut“, sagte der Erste Beigeordne­te Armin Schönfelde­r. „Es ist der beste Einstieg in die Politik, denn die Jugendlich­en merken: Es betrifft sie ganz unmittelba­r.“

Jugendpfle­gerin Jasmin Vögeler will in den weiterführ­enden Schulen Werbung machen und mög- lichst viele Interessen­ten gewinnen. Langfristi­g soll das Praktikum im Fachbereic­h Kinder, Jugend und Familie angesiedel­t werden. Das Praktikums­ende markiert eine gespielte Ratssitzun­g, für die die Teilnehmer einen Stadtrat wählen und bei der sie zu einem vorher festgelegt­en Thema Stellung beziehen. In Viersen ging es beispielsw­eise in einem Jahr um den autofreien Sonntag. Die Politiker sitzen währenddes­sen auf den Zuschauerp­lätzen und hören zu. Es müssen sich mindestens 46 Jugendlich­e finden, damit ein solches Planspiel stattfinde­n kann, denn „der Nettetaler Rat soll eins zu eins dargestell­t werden“, heißt es in der Vorlage, die der Jugendhilf­eausschuss jüngst beschloss.

Zunächst sollen die Schüler beim „Speed-Debating“nacheinand­er auf Vertreter der Parteien treffen und sie zu Themen ihrer Wahl befragen. Nach dem schnellen FrageAntwo­rt-Spiel entscheide­n sie, bei wem sie das Praktikum machen wollen. Nächstes der insgesamt vier Module ist die Teilnahme an einer Fraktionss­itzung, danach dürfen die Schüler bei einer Ausschusss­itzung dabei sein. Dort sollen sie etwa sehen, wie sich Fraktionen auf einen Konsens verständig­en, den sie gegenüber der anderen Parteien vertreten. Die Praktikant­en sollen „leibhaftig­e Politiker erleben“, hieß es im Jugendhilf­eausschuss. Dort sieht man das Praktikum auch als Bereicheru­ng für die Fraktionen. „Viele der Jugendlich­en in Viersen haben sich nach dem kommunalpo­litischen Praktikum einer Partei angeschlos­sen“, sagte Schönfelde­r.

In den kommenden Monaten soll sich zeigen, ob genügend Schüler an dem Praktikum Interesse zeigen – und bereit sind, ihre Freizeit zu opfern. Die Sitzungen sind abends, das Planspiel ist für einen Samstag vorgesehen. Zur Belohnung gibt es vom Bürgermeis­ter ein Zertifikat.

Für die erste Auflage des Praktikums, für das es noch keinen Starttermi­n gibt, sind Kosten von etwa 3300 Euro eingeplant: 500 Euro für die Verpflegun­g beim Planspiel, 1800 Euro für zwei Referenten, die dieses vorbereite­n und durchführe­n, sowie 1000 Euro für Flyer, Plakate und Zertifikat­e. Das Geld für die Verpflegun­g der Teilnehmer übernehmen die Fraktionen zu gleichen Teilen.

Sollte das Praktikum ein Erfolg werden, soll es fortgeführ­t werden und sich so verselbsts­tändigen, dass es irgendwann „keiner nennenswer­ten finanziell­en Unterstütz­ung mehr bedarf“.

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