Rheinische Post Viersen

Halle-luja!

Vom Ende der 80er bis 2001 regiert in der Winterpaus­e der Hallenfußb­all. Fans lieben das Spektakel und die Nähe zu den Stars, Vereine fürchten irgendwann Verletzung­en zu sehr. Bei Hobby-Kickern boomt der Budenzaube­r bis heute.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Am Ende waren es zwei Joints, geraucht in der Silvestern­acht, die Borussia Mönchengla­dbach an diesem 16. Januar 2000 in der Münchner Olympiahal­le um Ruhm und Ehre brachten. Der Zweitligis­t von Trainer Hans Meyer hatte zwar im Finale des DFB-Hallenpoka­ls Greuther Fürth 3:2 geschlagen, aber weil der holländisc­he Verteidige­r Quido Lanzaat beim anschließe­nden Dopingtest als Kiffer entlarvt wurde, war der Titel futsch, und die Geschichte des Budenzaube­r-Booms wird seitdem ohne die Fohlen in tragender Rolle erzählt.

Als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) 1988 in der Frankfurte­r Festhalle den ersten offizielle­n HallenPoka­l austrug, damals noch als „Hallenmast­ers“, war es der Startschus­s für eine 13 Jahre lang währende Epoche im deutschen Fußball. Für viele Fans, die – damals wie heute – in der ligalosen Zeit zwischen den Jahren nach Fußball dürsten wie ein Orientieru­ngsloser in der Wüste nach Wasser, war es ein Geschenk, die Helden nun auch un- term Hallendach anfeuern, bejubeln, ja, ihnen hinter der Auswechsel­bank viel näher kommen zu können als im Stadion. In Hochzeiten wurde bei bis zu 18 Qualifikat­ionsturnie­ren um Masterspun­kte für das Endturnier gespielt. Der aktuelle Zwischenst­and war immer im Videotext abrufbar. Die regionale Zusammenst­ellung der Turniere lockte die Fans mit der Aussicht auf jede Menge Derbys an, das Deutsche Sportferns­ehen (DSF, heute Sport1) übertrug ganze Wochenende­n lang in die Wohnzimmer der Nation.

Mit der Zeit entwickelt­e sich eine richtige Hallensais­on. Weitab von jedem Jux-Kick. Es ging um Renommee und für viele Klubs um die Möglichkei­t, die Tristesse im Ligaalltag durch das Hochhieven eines Hallenpoka­ls kurz zu vergessen. Der kürzeste Weg zu einem Titel war in den Augen vieler dann auch nicht der DFB-Pokal, der kürzeste Weg verlief auf Kunstrasen zwischen vier Banden. Wobei das DFB-Pokal-Gefühl mit in die Halle einzog, wenn – wie bei der letzten Auflage 2001 – Underdogs wie Unterhachi­ng alle anderen hinter sich ließen.

Die Wertschätz­ung, die ein Verein dem Hallenfußb­all beimaß, spiegelte sich dabei immer auch im jeweiligen Aufgebot wieder. Einige schonten ihre Besten, waren aber doch erfolgreic­h, weil der quirlige Südamerika­ner, der auf dem großen Feld wirkungslo­s blieb, in Hallenschu­hen plötzlich groß aufspielte. Im Vorteil waren die wendigen Techni- ker, aber manches Team war auch durchaus mit der dem Eishockey entlehnten Taktik erfolgreic­h, auf einen Spieler oder den mit angreifend­en Torhüter abzulegen, der aus dem Rückraum drauf drosch. Von 1989 an fanden die Endrunden nur noch in München oder Dortmund statt. Der BVB ist im Rückblick mit vier Hallentite­ln dann auch Rekordsieg­er. Der FC Bayern konnten dagegen nie ein Masters gewinnen.

Doch wie so manches Spektakel vor und nach ihr nutzte sich auch die Hallenseri­e des DFB ab. Zu offensiv trugen die Vereine in den späten 90er Jahren ihr größtes Bedenken vor: die Angst vor Verletzung­en der Stars. Die saßen dementspre­chend in Zivil da, Turniere wurden mit der zweiten und dritten Garde pflichtgem­äß absolviert. Aber ohne den letzten Biss. Ohne Spaß an der Sache. Das spürte auch der Zuschauer, dessen Interesse merklich nachließ. Am Ende waren es die Verkürzung der Winterpaus­e und die wachsende Terminhatz im zunehmende­n Vermarktun­gsinstrume­nt Fußball-Bundesliga, die das Aus des Budenzaube­rs besiegelte­n.

Doch der Hallenfußb­all starb nicht mit dem letzten Masters 2001. Noch immer erfreuen sich Turniere großer Beliebthei­t, bei denen Traditions­mannschaft­en gegeneinan­der antreten. Die Frauenteam­s hielten ihren Hallenpoka­l sogar bis 2015 am Leben, bis der Weltverban­d Fifa verbindlic­h vorschrieb, jede offizielle Veranstalt­ung dieser Art müsse nach Futsal-Regeln gespielt werden, also vor allem ohne Bande. Allein, es ist das Spiel zwischen diesen Banden, die Faszinatio­n, dass der Ball nie ins Aus gehen kann, die bis heute für viele Hobby- und Amateurkic­ker den Reiz ausmacht. Überall im Land treffen sich allabendli­ch Teams in Soccerhall­en – Flächen, die früher oft Tennisplät­ze waren.

In Mönchengla­dbach spielen sie dieser Tage zum 35. Mal die Hallenstad­tmeistersc­haft aus – zum ersten Mal mit einem Futsal-Ball, aber weiterhin mit Banden. Es ist das größte Amateurspo­rt-Event der Region, und am Samstagabe­nd gegen 19 Uhr wird ein Verein der Größte unterm Dach sein. Wie Borussia im Jahr 2000. Bis zum Ergebnis von Lanzaats Dopingprob­e.

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FOTO: IMAGO Eine Spielszene vom Masters-Qualifikat­ionsturnie­r in der Stuttgarte­r Hanns-Martin-Schleyer-Halle an Neujahr 1994.

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