Entschleunigung auf der Insel
Brandung, unberührter Sand, Ruhe – die See ist im Winter Balsam für die Seele. Auf der Insel Poel vor Wismar hält die kalte Jahreszeit aber noch mehr bereit.
Die „MS Möwe“pflügt durch die kalte Ostsee. Kurs auf Wismar. Auf der winterlichen Angelfahrt erzählt Gudrun Sieder (49) von der Region. Seit 30 Jahren lebt sie auf der Insel Poel vor der Küste. „Es gibt hier keine Bettenburgen, das ist ein großer Schatz.“Dann hält sie die Nase in den Wind und schließt die Augen, Gesicht in Richtung Wintersonne. „Es ist schön. Gerade im Winter, wenn das Inselchen schläft.“
Die „MS Möwe“mit ihren sieben Knoten Höchstgeschwindigkeit fährt weiter hinaus, vorbei an der Vogelschutzinsel Walfisch. Poel, Deutschlands siebtgrößte Insel, bleibt ebenso wie der Damm, der sie mit dem mecklenburgischen Festland ver- bindet, verschwommen zurück. Die Zeit auf dem Wasser vergeht rasch zwischen Lebensgeschichten und Seemannsgarn. Eine Muschel am Haken ist der größte Fang, bevor es nachmittags leicht verfroren zurück zur Insel geht.
Jetzt muss trotzdem Fisch auf den Tisch. Also ab zur nahegelegenen Forellenräucherei. Dort verrät Ingrid Hanekamp (64) das einfache Rezept für Stammkundschaft: „Man muss vernünftigen, ordentlichen Fisch anbieten. Die Gäste sind nicht blöd. Zum Räuchern braucht man eine gute Qualität, da muss man für die Rohware eben ein paar Cent mehr ausgeben.“Geräuchert wird nach Altonaer Art. „Richtig mit Holz, nicht mit Strom, Elektro oder Gas.“Die gelernte Betriebswirtin und ihr Mann Manfred verwirklichen sich mit dem Poeler Forellenhof seit 1993 einen Traum.
Nach der Wärme des Hanekampschen Restaurants mit Blick auf Meer, Kirchturm und Hafen weckt der frische Wind neuen Tatendrang. Am Schwarzen Busch, einem schier endlos scheinenden Ostseestrand, geht es auf einsame Schatzsuche. Fossile Donnerkeile, versteinerte Seeigel, Feuersteine mit kreisrunden Löchern sowie Seeglas spülen die Stürme an Land.