Das Kruzifix kehrt zurück
Bayern will in allen Behörden Kreuze aufhängen. Das ist nicht ganz einfach.
MÜNCHEN Ob Markus Söder die Worte des Bundesverfassungsgerichts noch einmal gelesen hat, ist nicht überliefert. Im Kruzifix-Beschluss von 1995 schrieben die Richter: „Es wäre eine dem Selbstverständnis des Christentums und der christlichen Kirchen zuwiderlaufende Profanisierung des Kreuzes, wenn man es als bloßen Ausdruck abendländischer Tradition oder als kultisches Zeichen ohne spezifischen Glaubensbezug ansehen wollte.“Das Gericht erklärte eine bayerische Regel, wonach in allen Klassenzimmern Kreuze anzubringen sind, für verfassungswidrig.
Ungeachtet dessen hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun verkündet, im Eingangsbereich jeder Landesbehörde „deutlich wahrnehmbar“ein Kruzi- fix anzubringen. Dies sei „Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns“. Das Kreuz indes ist laut Verfassungsgericht kein Ausdruck abendländischer Tradition, sondern das „Glaubenssymbol des Christentums schlechthin“.
Das Grundgesetz verpflichtet den Staat zu weltanschaulicher Neutra- lität; er darf sich mit keiner Religion gemein machen. Wenn Besucher staatlicher Behörden im Eingang ein Kreuz, möglicherweise mit dem Korpus des leidenden Christus, betrachten, müssen sie davon ausgehen, dass sich der bayerische Staat sehr wohl den christlichen Glauben zu eigen macht. Das Bundesverfassungsgericht schreibt: „Die Ausstattung eines Gebäudes mit einem Kreuz wird als gesteigertes Bekenntnis des Besitzers zum christlichen Glauben verstanden.“Darauf muss der Staat verzichten. Er möchte schließlich auch Lehrern und Richtern Kopftücher verbieten.
Christian Lindner, Vorsitzender der FDP, schrieb dazu auf Twitter: „Wie Markus Söder und die CSU Religionen permanent für die Parteipolitik instrumentalisieren, das erinnert geradezu an Erdogan. Das Grundgesetz hat keine Konfession.“