Beethovens „Pastorale“klingt bei ihm wie im Regenwald von Brasilien
retten suchte, so resultierte diese Position aus nichts anderem als Demut. Mehr als einmal sagte er im Gespräch:„Ich bin Anfänger – immer!“Das war keine Koketterie, die nach sofortigem Widerspruch verlangte, sondern Ausdruck eines schier pränatalen Denkens: In jedem Stück, das er dirigierte, kam Leonard Bernstein neu zur Welt.
Ein wenig schien es immer, als schäme sich der 1918 in Massachusetts geborene Sohn emigrierter russischer Juden seiner Höchstbegabung, mit der er schon als Junge alle Lehrer und Hochschulen überrannt hatte, um sich gleich nach seinem sensationellen Einspringer-Debüt 1943 am Pult der New Yorker Philharmoniker als Universalist vorzustellen. Bernstein konnte alles, war aber so bescheiden, es niemanden spüren zu lassen. Bernstein dozierte nicht. Er überzeugte durch Hingabe. Und durch eine sozusagen totale Musikalität – als Dirigent, als Pianist, als Komponist.
Von seinen eigenen Werken bleiben natürlich die swingend-schöne, fast puccinoide „West Side Story“, das geistreiche „Candide“, aber auch ein so brisant-kitzeliges Werk wie „Prelude, Fugue and Riffs“für Klarinette und Big Band, in dem uns Bernstein mit dem Drive einer Jazz-Combo an den Hals fährt. Wer dieses orgiastische, lebenshungrige Stück je gehört hat, der bekam einen Eindruck, wie es in Leonard Bernsteins Sein und Wirken garantiert nie zugegangen ist: langweilig. Er ist ja damals, vor 28 Jahren, auch nicht gestorben. Er hat sich vielmehr zu Ende gelebt.