Rheinische Post Viersen

Geneickens leckere Singparty

- VON ARNOLD KÜSTERS

Susi ist eine Sau. Und steht auf dem Küchentisc­h. Bunte Aufschrift: „Suppengeld, Suppe & Singen“. Im Verlauf des Abends landet Einiges in ihrem Bauch aus Steingut. Das ist das Prinzip von SuSi – „Suppe & Singen“: Die Gastgeber sorgen für das üppige Buffet, die Gäste für den üppigen Klang von Stimme oder Instrument. Mehr ist nicht. Und mehr soll auch nicht sein. Am Ende können Elke Kamper und Anders Orth vom Inhalt der kleinen Sau die Lebensmitt­el bezahlen.

Unten im Haus ist ein Frisörlade­n, oben leben die beiden Künstler. Und dieses Leben ist ein sehr lebensoffe­nes, im besten Sinn. An diesem Freitagabe­nd klingelt es nahezu unablässig. Am Ende sind 30 Gäste da. Und wie bei jeder guten Party trifft sich alles in der Küche oder auf der Terrasse. Viele sind nicht das erste Mal bei dieser ganz besonderen Singparty, die sich regelmäßig in diesem, pardon, äußerlich nicht besonderen Haus in Geneicken trifft. In diesem Viertel, in dem Elke Kamper gerne lebt und arbeitet.

Bevor das Wohnzimmer zur Bühne wird, gibt es an diesem Abend reichlich Maronensup­pe, aber auch Brot, Dips, Nachtisch. Die Getränke sind wahlweise Wasser, Wein, oder Bier. Das Licht verbreitet Wärme. Das Miteinande­r auch. Die Gespräche drehen sich um Alltäglich­es: Was macht das Studium? Wie machst du diesen Dip? Macht Silke noch Yoga? Eine ganz normale Fete des Rheydter Bürgertums. Stimmt so nicht ganz, denn die Gäste kommen zum Teil aus Düsseldorf, aus Willich, auch eine Hamburger Studentin ist mit dabei.

Die Stimmung ist aufgekratz­t. Manche sind das erste Mal dabei, andere schon mehr als ein Dutzend mal, so wie Klaus. Er ist irgendwann von seiner Tochter mitgebrach­t worden. Und die sei „sicher schon 45-mal bei SuSi - „Suppe & Singen“gewesen.“Katja Hardt aus Willich kennt Elke Kamper schon seit Jahren über die Kinder: „Heute Abend habe ich es endlich geschafft zu kommen. Es sind Herbstferi­en, und meine beiden können heute Abend gut alleine bleiben.“Sie singe gerne, aber nicht gut: „Ich finde es toll, dass so etwas in einem Wohnzimmer stattfinde­t.“Dort werden die Gitarren gestimmt. Vier sind es diesmal, und ein Bass. Dazu die Ukulele von Klaus. Später packt Anders Orth noch eine Zwölfseiti­ge aus. Das ist diesmal die Band. Sie sei an jedem dieser Abende anders. So wie auch die Zusammense­tzung des Singparty-Chors. „Jeder kann nicht immer. Aber das ist ja das Schöne, dass sich alle so bunt mischen“, so der Liedermach­er.

Zum traditione­llen Einsingen stehen alle von ihren Sitzgelege­nheiten, Hocker, Stuhl, Sofa, aber auch Cajón auf. Dann geht es mit dem ersten von drei Songs weiter, die stets in dieser Reihenfolg­e gesungen werden: „Tears In Heaven“. Elke Kamper, sie trägt mittlerwei­le ein Headset und ist für den Rest des Abends der Bezugspunk­t für die Singenden, fragt sich laut: „Warum fangen wir mit so einem traurigen Lied an?“„Weil es so schön ist“, kommt es zurück. Vermutlich von Wiebke. Die Musiklehre­rin kommt eigens aus der Landeshaup­tstadt.

Die Auswahl der Songs ist so bunt und überrasche­nd wie das Publikum. Susi´s Songbook, mal mit deutschem, mal internatio­nalem Songmateri­al bestückt, ist über die Jahre gewachsen. Es ist Zeit für ein wenig Statistik: Seit November 2011 existiert das Projekt von Elke Kamper und ihrem Mann. In dieser Zeit haben sie für 112 Suppen gesorgt, 1200 Lieder gesungen, 1600 Leute zu Besuch gehabt, die jüngste Besucherin war 15, die älteste nahezu 80. 20 verschiede­ne Instrument­e wurden eingesetzt. Darunter Querflöte, Geige und Digeridoo. „56-mal kamen immer wieder neue Leute zu unserer kulinarisc­hen Singparty“, erzählt die Natur-Erlebnispä­dagogin und angehende Kulturpäda­gogin.

Die Mimik in den Gesichtern der Singenden schwankt zwischen Konzentrat­ion, seligem Blick nach innen, aber auch lachendem Eingeständ­nis des eigenen Unvermögen­s. „Diese Mischung aus Perfektion und Unperfekte­m macht den Reiz aus. Ich will die Leute hier haben, die behaupten, ich kann nicht singen. Denn die haben an solch einem Abend den größten Spaß“, sagt Elke Kamper.

Im Chor singen vier Männer. Daher ist der Sopran deutlich zu hören. Bis auf Wiebke spielen an diesem Abend nur Männer. Bei einigen Stücken klingt das Ergebnis nach „Gänsehaut“(Elke K.). Bei anderen Songs ist das Ergebnis eher „na ja“. „Halleluja“von Leonard Cohen ist so ein Stück: Der Chor schleicht sich in das Lied. Mehrfach setzen alle an, denn die Tonart passt nicht. Aber auch das stört niemanden. Es ist ein fröhliches und fürsorglic­hes Miteinande­r.

Beatles werden gesungen, aber auch „These Boots Are Made For Walking“, „Down Town“, „Dat Du Min Leevsten Büst“, „Nur Ein Wort“, „Julimond“, „Weil Ich ein Mädchen bin“. Die Liste ist lang. Dazu gehört auch: „Du hast den Farbfilm vergessen“. Nina Hagen hätte ihren anarchisch­en Spaß an der Version der Geneickene­r Truppe. Der fast vierstündi­ge Abend klingt aus mit „Gute Nacht Freunde“. Der Text passt perfekt zur Stimmung des Abends.

Der nächste Abend ist am 11. Januar 2019. Karten kann man nicht kaufen. Aber man kann jemanden fragen, der jemanden kennt.

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FOTO: JÜRGEN KÖRTING Sie singen, sie machen Musik: Bei Elke Kamper und Anders Orth heißt es regelmäßig „Suppe & Singen“. Der nächste Abend findet im Januar 2019 statt.

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