Rheinische Post Viersen

Schulen wehren sich gegen „Elterntaxi­s“

Zwei Tage nach dem tödlichen Unfall einer Achtjährig­en in Mönchengla­dbach ist der Hergang nicht geklärt. Die Schule hatte schon vor Monaten vor „Elterntaxi­s“gewarnt – wie auch andere Schulen in Nordrhein-Westfalen.

- VON ANDREAS GRUHN, SABINE KRICKE UND MILENA REIMANN FOTO: HANS-PETER REICHARTZ

MÖNCHENGLA­DBACH Die Ursache für den Unfall am Mittwoch, bei dem ein achtjährig­es Mädchen in Mönchengla­dbach auf dem Weg zur Schule von einem Auto überrollt wurde und starb, ist auch zwei Tage danach nicht klar. „Bisher sind fünf Zeugen vernommen worden, die unter großer Betroffenh­eit ihre Wahrnehmun­gen geschilder­t haben“, sagte Polizeispr­echer Wolfgang Röthgens. Die Aussagen der Zeugen unterschie­den sich teilweise, die Eltern des Kindes seien noch nicht vernehmung­sfähig. Auch die Fahrerin des Unfallfahr­zeugs konnte bislang nicht angehört werden. Die spurentech­nischen Untersuchu­ngen seien ebenfalls noch nicht abgeschlos­sen. „Vor diesem Hintergrun­d können wir noch keine abschließe­nden Angaben zum Unfallherg­ang machen“, sagte Röthgens. Vielmehr sucht die Polizei noch weitere Zeugen, die den Unfall beobachtet haben.

Rund um die Schule ist die Betroffenh­eit weiter groß. Der schulpsych­ologische Dienst, Seelsorger und ein muslimisch­er Imam kümmerten sich um Kinder und Lehrer. Neben dem Schultor legten Kinder Plüschtier­e, Briefe und Blumen ab und zündeten Kerzen für ihre Freundin an. Auch das Verkehrsau­fkommen vor dem Tor blieb in den vergangene­n Tagen gewaltig. Sowohl morgens als auch nach Schulschlu­ss kam es in der Schulstraß­e zu unübersich­tlichen Situatione­n, weil Eltern ihre Kinder zur Schule brachten oder abholten. Die Schulpfleg­schaft und die Schulleitu­ng hatten in den vergangene­n Monaten wiederholt die Eltern darum gebeten, ihre Kinder nicht mit Autos zur Schule zu fahren, sondern zu Fuß gehen zu lassen. Als Reaktion auf „morgendlic­he Verkehrsch­aos vor dem Schultor“, wie es in einem Schreiben der Schule an die Eltern Der große Kreis markiert den Unfallort vor der Grundschul­e in Mönchengla­dbach. Die Markierung­en der Spurensich­erung sind zu sehen. Der kleine Kreis zeigt die Gedenkstät­te für die Achtjährig­e auf dem Bürgerstei­g mit Kerzen und Plüschtier­en. heißt, war nach einer Ortsbegehu­ng mit Schule, Ordnungsam­t und Polizei ein Halteverbo­t vor der Schule verhängt worden. Diese Schilder waren nur wenige Tage vor dem Unfall montiert worden.

Probleme mit „Elterntaxi­s“kennt man an vielen Schulen, so auch an der Montessori-Grundschul­e in Mönchengla­dbach. „Die Eltern fahren bis vorne ans Schultor und auf den Lehrerpark­platz“, sagt eine Mitarbeite­rin aus dem Sekretaria­t. Am Tag nach dem Unfall habe die Schule einen Elternbrie­f verschickt und darum gebeten, einen großen Parkplatz in der Nähe zu nutzen und die Kinder dort abzusetzen. Einen solchen Brief bekommen an der Montessori-Schule alle Erstklässl­er und ihre Eltern – doch die Ratschläge würden nur wenige Eltern befolgen. Zeitweise habe sich sogar die Schulleite­rin morgens vor die Schule gestellt und auf das Verkehrsch­aos aufmerksam gemacht.

Am Tag nach dem Unfall im Stadtteil Hardterbro­ich hätten die Telefone auch an der Montessori-Schule nicht mehr stillgesta­nden. Besorgte Eltern hätten Vorschläge gemacht, wie die Situation vor der Schule sicherer werden könnte: Elterninit­iativen, die morgens Steife laufen wollen, waren darunter. Oder der Vorschlag, dass der Bezirkspol­izist jeden Morgen vor der Schule seinen Dienst tut. Die Schule denkt nun über eine Schranke zum Lehrerpark­platz nach. Auch die Polizei in Mönchengla­dbach warnt vor dem Phänomen „Elterntaxi“und ruft Mütter und Väter dazu auf, die Kinder entweder ganz zu Fuß zur Schule gehen zu lassen oder in einiger Entfernung vom Schultor abzusetzen, damit sie den Rest des Wegs zu Fuß gehen können.

Auch in anderen niederrhei­nischen Kommunen haben die Schulen mit Eltern zu kämpfen, die ihre Kinder direkt vor dem Gebäude mit dem Auto absetzen. Eine Grundschul­e hat nun gehandelt. In Kranenburg-Nütterden hat die Verkehrswa­cht gemeinsam mit der Gemeinde, dem Straßenver­kehrsamt und der Polizei eine Halte-Zone eingericht­et. Diese befindet sich 250 Meter von der Schule entfernt. Von dort aus kommen die Kinder sicher zu Fuß zur Schule. Vor dem Gebäude ist das Halten verboten.

In Grevenbroi­ch kontrollie­rt das Ordnungsam­t die Straßen an zwei Grundschul­en – und erteilt bei Bedarf kostenpfli­chtige Verwarnung­en. In Neuss hingegen sind bislang keine entspreche­nden Maßnahmen beschlosse­n worden. Ein Gremium aus Vertretern verschiede­ner Behörden und das Amt für Verkehrsle­nkung sollen dazu gehört werden. Die Leoschule hat aber bereits im November für Abhilfe gesorgt. Gut 100 Meter Luftlinie vom Schultor entfernt wurden am Parkplatz des Nordbades einige Stellplätz­e für den „Hol- und Bringdiens­t Leoschule“reserviert. Die „Elternhalt­estelle“ist jedoch vorerst nur als Experiment gedacht.

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