Schulen wehren sich gegen „Elterntaxis“
Zwei Tage nach dem tödlichen Unfall einer Achtjährigen in Mönchengladbach ist der Hergang nicht geklärt. Die Schule hatte schon vor Monaten vor „Elterntaxis“gewarnt – wie auch andere Schulen in Nordrhein-Westfalen.
MÖNCHENGLADBACH Die Ursache für den Unfall am Mittwoch, bei dem ein achtjähriges Mädchen in Mönchengladbach auf dem Weg zur Schule von einem Auto überrollt wurde und starb, ist auch zwei Tage danach nicht klar. „Bisher sind fünf Zeugen vernommen worden, die unter großer Betroffenheit ihre Wahrnehmungen geschildert haben“, sagte Polizeisprecher Wolfgang Röthgens. Die Aussagen der Zeugen unterschieden sich teilweise, die Eltern des Kindes seien noch nicht vernehmungsfähig. Auch die Fahrerin des Unfallfahrzeugs konnte bislang nicht angehört werden. Die spurentechnischen Untersuchungen seien ebenfalls noch nicht abgeschlossen. „Vor diesem Hintergrund können wir noch keine abschließenden Angaben zum Unfallhergang machen“, sagte Röthgens. Vielmehr sucht die Polizei noch weitere Zeugen, die den Unfall beobachtet haben.
Rund um die Schule ist die Betroffenheit weiter groß. Der schulpsychologische Dienst, Seelsorger und ein muslimischer Imam kümmerten sich um Kinder und Lehrer. Neben dem Schultor legten Kinder Plüschtiere, Briefe und Blumen ab und zündeten Kerzen für ihre Freundin an. Auch das Verkehrsaufkommen vor dem Tor blieb in den vergangenen Tagen gewaltig. Sowohl morgens als auch nach Schulschluss kam es in der Schulstraße zu unübersichtlichen Situationen, weil Eltern ihre Kinder zur Schule brachten oder abholten. Die Schulpflegschaft und die Schulleitung hatten in den vergangenen Monaten wiederholt die Eltern darum gebeten, ihre Kinder nicht mit Autos zur Schule zu fahren, sondern zu Fuß gehen zu lassen. Als Reaktion auf „morgendliche Verkehrschaos vor dem Schultor“, wie es in einem Schreiben der Schule an die Eltern Der große Kreis markiert den Unfallort vor der Grundschule in Mönchengladbach. Die Markierungen der Spurensicherung sind zu sehen. Der kleine Kreis zeigt die Gedenkstätte für die Achtjährige auf dem Bürgersteig mit Kerzen und Plüschtieren. heißt, war nach einer Ortsbegehung mit Schule, Ordnungsamt und Polizei ein Halteverbot vor der Schule verhängt worden. Diese Schilder waren nur wenige Tage vor dem Unfall montiert worden.
Probleme mit „Elterntaxis“kennt man an vielen Schulen, so auch an der Montessori-Grundschule in Mönchengladbach. „Die Eltern fahren bis vorne ans Schultor und auf den Lehrerparkplatz“, sagt eine Mitarbeiterin aus dem Sekretariat. Am Tag nach dem Unfall habe die Schule einen Elternbrief verschickt und darum gebeten, einen großen Parkplatz in der Nähe zu nutzen und die Kinder dort abzusetzen. Einen solchen Brief bekommen an der Montessori-Schule alle Erstklässler und ihre Eltern – doch die Ratschläge würden nur wenige Eltern befolgen. Zeitweise habe sich sogar die Schulleiterin morgens vor die Schule gestellt und auf das Verkehrschaos aufmerksam gemacht.
Am Tag nach dem Unfall im Stadtteil Hardterbroich hätten die Telefone auch an der Montessori-Schule nicht mehr stillgestanden. Besorgte Eltern hätten Vorschläge gemacht, wie die Situation vor der Schule sicherer werden könnte: Elterninitiativen, die morgens Steife laufen wollen, waren darunter. Oder der Vorschlag, dass der Bezirkspolizist jeden Morgen vor der Schule seinen Dienst tut. Die Schule denkt nun über eine Schranke zum Lehrerparkplatz nach. Auch die Polizei in Mönchengladbach warnt vor dem Phänomen „Elterntaxi“und ruft Mütter und Väter dazu auf, die Kinder entweder ganz zu Fuß zur Schule gehen zu lassen oder in einiger Entfernung vom Schultor abzusetzen, damit sie den Rest des Wegs zu Fuß gehen können.
Auch in anderen niederrheinischen Kommunen haben die Schulen mit Eltern zu kämpfen, die ihre Kinder direkt vor dem Gebäude mit dem Auto absetzen. Eine Grundschule hat nun gehandelt. In Kranenburg-Nütterden hat die Verkehrswacht gemeinsam mit der Gemeinde, dem Straßenverkehrsamt und der Polizei eine Halte-Zone eingerichtet. Diese befindet sich 250 Meter von der Schule entfernt. Von dort aus kommen die Kinder sicher zu Fuß zur Schule. Vor dem Gebäude ist das Halten verboten.
In Grevenbroich kontrolliert das Ordnungsamt die Straßen an zwei Grundschulen – und erteilt bei Bedarf kostenpflichtige Verwarnungen. In Neuss hingegen sind bislang keine entsprechenden Maßnahmen beschlossen worden. Ein Gremium aus Vertretern verschiedener Behörden und das Amt für Verkehrslenkung sollen dazu gehört werden. Die Leoschule hat aber bereits im November für Abhilfe gesorgt. Gut 100 Meter Luftlinie vom Schultor entfernt wurden am Parkplatz des Nordbades einige Stellplätze für den „Hol- und Bringdienst Leoschule“reserviert. Die „Elternhaltestelle“ist jedoch vorerst nur als Experiment gedacht.