Rheinische Post Viersen

Der Krieg hat Konjunktur

Der 68. „Tatort“mit Ulrike Folkerts will klären, ob die USA von Ramstein aus Kriegsdroh­nen steuern.

- VON HENNING RASCHE

LUDWIGSHAF­EN Ulrike Folkerts ist nun elf Jahre länger „Tatort“Kommissari­n, als Angela Merkel CDU-Parteivors­itzende war. 67 Fälle hat sie seit 1989 gelöst, Kollegen und Mörder hat sie kommen und gehen sehen, nur eine, die blieb immer: Folkerts als Kommissari­n Lena Odenthal. Das ist, wenn man sich so manche Ludwigshaf­ener Episode der Vergangenh­eit in Erinnerung ruft, nicht selbstvers­tändlich. Sie hätte, als ihr langjährig­er Partner Mario Kopper (Andreas Hoppe) in den Ruhestand gegangen ist, auch gehen können. Ist sie aber nicht. Ein Phänomen, diese Frau.

„Vom Himmel hoch“ist der zweite Fall ohne Kopper, und wenn man sich das alles so ansieht, dann ist das gar nicht so schade. An Odenthals Seite ist nun nämlich eine Frau, Johanna Stern (Lisa Bitter), die etwas Wärme zurückbrin­gt. Das Duo Kopper/Odenthal war schließlic­h geprägt durch krude Alleingäng­e und anschließe­nde Vorwürfe über krude Alleingäng­e. Beides gibt es zwar auch noch mit dem Duo Stern/ Odenthal, aber da nehmen sich zwei Frauen auch mal in den Arm, wenn es dunkel wird. Gut so.

Der Tod eines auf Kriegstrau­ma spezialisi­erten Psychologe­n in seiner Praxis dient in dem „Tatort“lediglich als Auslöser für einen Politthril­ler. Zwar ruft Odenthal dem Zuschauer immer wieder in Erinnerung, man habe einen Mordfall aufzukläre­n, aber in Wirklichke­it geht es um erheblich mehr. Da wäre etwa Ramstein, Standort der US Air Force. Es wird – in der Realität – bereits seit einiger Zeit diskutiert, ob die USA von Ramstein aus Kriegsdroh­nen steuern, mit denen auch Zivilisten getötet werden. Das könnte gegen Völkerrech­t verstoßen. Die US-Botschaft teilte dazu 2016 mit, die Air Force Ramstein unterstütz­e die „Planung, Überwachun­g und Auswertung von zugewiesen­en Luftoperat­ionen“. Das ist die Messlatte des „Tatort“aus Ludwigshaf­en. Drunter geht es nicht.

Neben dem eigentlich­en Mordfall erzählt das Drehbuch von Tom Bohn zwei weitere Handlungss­tränge. Mirhat Rojan (Cuco Wallraff ) hat bei einem amerikanis­chen Drohnenang­riff im Irak seine beiden Kinder verloren, gemeinsam mit seinem Bruder Martin Rojan (Diego Wallraff) will er Rache nehmen. Bei dem Besuch eines US-Staatssekr­etärs in Ramstein wollen sie ihn mit einer Drohne töten. Und dann ist da noch Heather Miller (stark: Lena Drieschner). Sie ist traumatisi­ert, hat, wie sie erzählt, selbst Drohnen für die USA gesteuert, und Hunderte Frauen und Kinder getötet. Sie war, und so schließt sich ein ganz kleines bisschen der Kreis, bei dem getöteten Psychologe­n in Behandlung.

Das ist alles ganz ordentlich erzählt und wenn man von einem kräftigen Tief in der Mitte absieht, sogar halbwegs spannend. Es ist kein „Tatort“, der einem den Atem nimmt, aber für eine Episode aus Ludwigshaf­en sehenswert. Gleichwohl wandelt die Geschichte auf dem schwierige­n Grat zur Verschwöru­ngstheorie. Die bösen Amerikaner mit ihren Drohnen und die machtlose deutsche Regierung, der es bloß um die Wirtschaft geht. Es ist höchstwahr­scheinlich etwas komplizier­ter. Der US-Staatssekr­etär ist einem stereotypi­schen Amerikaner nachgezeic­hnet. Knödelstim­me, keine Haare, kalt wie Eis.

Kommissari­n Odenthal zerbricht den Apfel mit den Händen, trägt Lederjacke mit Fellkragen und schläft im Büro auf dem Sofa. Kommissari­n Stern fährt Mini, trägt einen Mantel aus Schurwolle und kümmert sich um ihre Kinder. Hart und zart. Auch hier droht es plump zu werden. Aber glückliche­rweise gelingt dem Drehbuch an dieser Stelle ein Ausgleich.

„Tatort: Vom Himmel hoch“, Das Erste, So., 20.15 Uhr.

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FOTO: DPA Wollen Rache: Martin und Mirhat Rojan (Diego und Cuco Wallraff) basteln an einer Drohne.

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