Rheinische Post Viersen

„Volle Rückendeck­ung“

Nach dem Abgang von Merkel und Seehofer beginnt für die Union eine neue Phase, sagt Söder. Die Konkurrenz zu Kramp-Karrenbaue­r ist aber schon da.

- VON GREGOR MAYNTZ VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen sieht sich gut fünf Jahre nach Amtsantrit­t „dynamisch“auf gutem und richtigem Weg. Jedes Jahr gebe es inzwischen im Durchschni­tt ein neues Schiff, jeden Monat ein neues Flugzeug oder einen neuen Hubschraub­er und jede Woche einen neuen Panzer für die Truppe. Wer dazu den Jahresberi­cht des Wehrbeauft­ragten zu Rate zieht, muss die Aufzählung ergänzen: Und jeden Tag ist weiter Winter.

Auf die Formel von „Es ist immer noch Winter“, obwohl er doch gerne von „Frühling“und „alles wird neu“berichten wolle, brachte es Hans-Peter Bartels, als er am Dienstag seinem Auftraggeb­er, dem Deutschen Bundestag, die aktuelle Summe seiner Beobachtun­gen, Nachprüfun­gen und Besichtigu­ngen aller Bereiche der Bundeswehr vorlegte. Auf 126 eng beschriebe­nen Seiten gibt es nicht nur den üblichen Mängelberi­cht mit vielen Benachteil­igungen, Verhöhnung­en und Grundrecht­sverletzun­gen einzelner Soldaten. Bartels beschreibt darin auch, warum die von der Ministerin eingeleite­ten Trendwende­n bei Personal, Material, BERLIN Annegret Kramp-Karrenbaue­r sagt es ohne einen Hauch von Spott, sie muss sich nicht einmal ein Lachen verkneifen. Dabei bemüht die CDU-Vorsitzend­e einen Superlativ, der eigentlich herausrage­nden, einmaligen Ereignisse­n innerhalb einer sehr langen Zeitspanne vorbehalte­n ist. Jedenfalls keiner schnöden Telefonsch­alte.

Die Saarländer­in sagt es am Dienstag bei ihrem ersten gemeinsame­n Auftritt mit dem Bayern Markus Söder nach dessen Wahl zum CSU-Chef trotzdem so: „Nachdem wir gestern historisch­er Weise eine Telefonver­bindung wieder haben aufleben lassen, die seit 2016 unterbroch­en war mit den engeren Führungszi­rkeln sowohl von CDU als auch von CSU, haben wir beiden als neugewählt­e Vorsitzend­e uns heute getroffen, um uns über politische Themen auszutausc­hen.“Auch Söder hebt das Telefonat hervor. Das sei „eine neue Form der Zusammenar­beit“. Was für andere nicht erwähnensw­ert wäre, feiern CDU und CSU nach Jahren des Zerwürfnis­ses als etwas ganz Besonderes. Sie telefonier­en wieder, und jetzt ist der bayerische Ministerpr­äsident auch noch in die CDU-Parteizent­rale gekommen. Wenig später nehmen sie sogar noch gemeinsam an der Sitzung der Bundestags­unionsfrak­tion teil, der sie beide nicht angehören. Kanzlerin Angela Merkel ist auch da. Das ist die Botschaft der Union: Sie robbt sich an einen Normalzust­and heran. Nur inhaltlich ist noch nicht viel passiert.

Eine Europawahl, zehn Kommunalwa­hlen, vier Landtagswa­hlen haben die Parteien in diesem Jahr zu bestreiten. Und Söder thematisie­rt, was viele umtreibt: Wird es einen solchen Rechtsruck geben, dass stabile, demokratis­che Mehrheiten – ob in Brüssel oder Brandenbur­g – gar nicht mehr möglich sind? Der AfD bescheinig­t er einen „Weg ins Rechtsextr­eme“und CDU und CSU misst er besondere Verantwort­ung für Stabilität zu. Sie müssten ein Anker für die Menschen sein. Die Sorge in der Union ist allerdings, dass dieser Anker noch nicht überall ausgeworfe­n wurde. Söder gibt zu, dass er während der erbitterte­n Auseinande­rsetzung um die Flüchtling­spolitik Fehler gemacht hat. Er selbst gehört zu den Anheizern der Debatte mit Schlagwort­en wie „Asyltouris­mus“, für die er sich später entschuldi­gt hat. „Man darf aus Erfahrung lernen“, sagt er, und es soll so scheinen, als sei jetzt alles wieder gut. Sie spricht von einem ausgesproc­hen guten und intensiven Treffen: „Das sehen sie uns beiden auch an.“Beide strahlen. Jetzt, da Merkel und Horst Seehofer nicht mehr Parteivors­itzende seien, beginne „eine neue Phase“, betont Söder. Neue Geschwiste­rliebe?

Söder freut sich, dass die CDU ihre „konservati­ve Seele wiederentd­eckt“. Kramp-Karrenbaue­r legt den Schwerpunk­t auf die Sicherund Wirtschaft­spolitik sowie eine Umweltpoli­tik „ohne Deindustri­alisierung“. Die für die Schwesterp­arteien aber interessan­teste Zukunftsfr­age – ob Kramp-Karrenbaue­r mit Unterstütz­ung der CSU Merkel auch als Kanzlerkan­didatin nachfolgt – hält Söder jetzt zeitlich nicht für angemessen. Man solle ihnen beiden erst einmal die Chance geben, aufeinande­r zuzugehen, sagt er. Nichts geschehe über Nacht. Sie gäben sich aber gegenseiti­g volle Rückendeck­ung. Er hätte auch sagen, dass jede und jeder CDU-Vorsitzend­e grundsätzl­ich auch Kanzlerkan­didat werden kann. Hat er aber nicht.

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FOTO: AFP Markus Söder mit Annegret Kramp-Karrenbaue­r

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