Erdogan umgarnt Maduro
Der türkische Präsident stützt den venezolanischen Autokraten – aus eigenem Interesse.
ANKARA/CARACAS Sie sind auf den ersten Blick ein ungleiches politisches Paar, der Islamist Recep Tayyip Erdogan und der Marxist Nicolas Maduro. Aber der türkische Präsident und der venezolanische Staatschef entdecken zunehmend gemeinsame Interessen. Ein Schlüsselwort lautet Gold. Im venezolanischen Machtkampf steht der türkische Präsident Erdogan an der Seite seines „Bruders“Maduro, wie er ihn nennt. „Mein Bruder Maduro, stehe aufrecht, wir sind an Deiner Seite“, sagte Erdogan in einem Telefonat mit dem Venezolaner. Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin twitterte: #WeAreMADURO. Erdogan belässt es nicht bei Worten. Die staatlich kontrollierte Turkish Airlines transportiert in den Frachträumen ihrer Jets Hilfsgüter für das Maduro-Regime. Fast 70 Prozent der Lieferungen für das staatliche venezolanische Lebensmittelprogramm kommen aus der Türkei.
Mit dem Rechtsrutsch in Südamerika, der sich zuletzt im Wahlsieg von Jair Bolsonaro in Brasilien manifestierte, hat Maduro seine meisten Freunde in Lateinamerika verloren. Da wird selbst Erdogan in der fernen Türkei zu einem wichtigen Verbündeten. Überdies gibt es Gemeinsamkeiten. Beide Männer kämpften sich aus einfachen Verhältnissen an die Staatsspitze. Erdogan wuchs in einem armen Istanbuler Hafenviertel auf, Maduro war Busfahrer und Gewerkschafter, bevor er in die Politik ging. Beide Männer führen ein zunehmend autokratisches Regime, das mit einer Demokratie wenig zu tun hat. Und wie Maduro scheint auch Erdogan von der Furcht besessen, dass die USA daran arbeiten, ihn auszuschalten. Erdogan überstand 2016 einen Putschversuch, Maduro 2018 ein Attentat. In beiden Ländern werden die USA als Anstifter beschuldigt. Neben diesen persönlichen Affinitäten gibt es für die Freundschaft aber auch handfeste wirtschaftliche Interessen. Das zeigte sich beim Besuch, den Erdogan Anfang Dezember auf dem Rückweg vom G20-Gipfel Maduro in Caracas abstattete. Während westliche Investoren um Venezuela einen weiten Bogen machen, sieht Erdogan jetzt Chancen, in dem mit Mineralien, Diamanten und den weltgrößten Ölreserven gesegneten Land wirtschaftlich Fuß zu fassen. Rund 4,5 Milliarden Dollar will die Türkei dort investieren.
Die Freundschaft spiegelt sich bereits in der Handelsbilanz: Im ersten Halbjahr 2018 belief sich der bilaterale Austausch auf rund eine Milliarde Dollar – mehr als in den fünf Jahren davor zusammen. Ein Posten sticht besonders hervor: In den ersten acht Monaten 2018 exportierte Venezuela Golderz im Wert von rund 900 Millionen Dollar in die Türkei. Dort wird das Edelmetall eingeschmolzen und verfeinert. Maduro ist auf die Erlöse aus dem Goldexport angewiesen, um dringend benötigte Einfuhren zu finanzieren. Die Goldlieferungen in die Türkei lassen aufhorchen. Denn hier kommt ein weiteres Regime ins Spiel, das zu den Unterstützern Maduros gehört: der Iran. Ankara steht im Verdacht, seit Jahren mit Goldtransaktionen die Finanz-Sanktionen gegen den Iran zu unterlaufen. Die amerikanische Justiz ermittelt deswegen gegen eine türkische Staatsbank.