Rheinische Post Viersen

Lebemann des Disco-Pop

Giorgio Moroder hat mit Donna Summer („I Feel Love“) die Popmusik revolution­iert. Mit 78 Jahren geht er nun erstmals auf Tour.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

LOS ANGELES Giorgio Moroder will um 12 Uhr anrufen, also sitzt man vor dem Telefon und singt leise ein Lied von Donna Summer vor sich hin: „Sittin’ here, eatin’ my heart out waitin’ / Waitin’ for some lover to call“. Als es klingelt und man abhebt, ist da diese wunderbar nach Après-Ski klingende Stimme: „Giorgio hier.“Und da man natürlich weiß, dass Moroder nie bloß Musiker war, sondern als Bonvivant gilt, der das Leben volley nimmt, entspinnt sich gleich mal dieser Dialog: Herr Moroder, was gehört

„Ich habe ein paar Songs geschriebe­n, bei denen ich mich später fragte: What did you smoke?“Giorgio Moroder

für Sie zu einem schönen Leben? „Dass man in einem schönen Haus lebt und ein schönes Auto hat. In Los Angeles lebt man ja sehr gut, weil das Wetter meistens schön ist. Und dann arbeitet man, aber nicht zu viel. Man isst auch gut. Da gibt es viele Sachen, die mir gefallen.“– Welches Auto ist denn das Schönste? „Das, was ich selbst gebaut habe: Cizeta-Moroder. 16 Zylinder. Ansonsten alle Ferraris und Lamborghin­is, das sind ganz hervorrage­nde Autos.“

Giorgio Moroder: Italiener, 78 Jahre alt. Produziert­e Mitte der 1970er Jahre in München die großen Hits von Donna Summer. Darunter die 16 Minuten lange Disco-Stöhn-Orgie „Love To Love You Baby“, die tatsächlic­h von der BBC boykottier­t wurde. Musik, zu der man in weißen Slippern tanzt. Parallel zu Brian Eno entdeckte Moroder, dass die Zukunft des Pop elektronis­ch ist. Er ging Ende der 70er Jahre nach Hollywood und gewann als Komponist von Filmmusike­n drei Oscars. „Top Gun“, „Flashdance“, „Midnight Express“. Er arbeitete mit Blondie und Bowie. Und vor allem: Er produziert­e den Basslauf, auf dem die zeitgenöss­ische Tanzmusik gründet, den unwiderste­hlichen, treibenden Basslauf aus „I Feel Love“von Donna Summer. Künstler von New Order bis David Guetta und Felix Jaehn beziehen sich noch heute darauf.

Wie sind Sie auf diesen Basslauf gekommen, Herr Moroder? „Zufall. Ich habe dem Tonmeister gesagt, ich bräuchte vier Noten. Er hat sie mir auf einem Riesen-Moog eingespiel­t. Ich habe sie schneller abgespielt und darauf das Lied komponiert. Als wir die Abmischung mit Donnas Gesang gemacht haben, hat der Tonmeister mir ein Delay in den Bass getan. Dadurch hat es einen besseren Rhythmus bekommen. Das war’s.“Zufall also. Man fasst es nicht.

Moroder lacht viel, er spricht ein alpin gefärbtes Deutsch, und sehr schön ist, wie er von dem Film „Ein Mann für gewisse Stunden“erzählt. 1980 war das, ein unglaublic­h gut aussehende­r Richard Gere fährt in der berühmten Eröffnungs­szene in einem unglaublic­h gut aussehende­n Mercedes Cabrio nach Beverly Hills, und dazu läuft „Call Me“von Blondie. Produziert hat das Lied Moroder. Richard Gere trägt Armani, im Film ist er ein Edel-Callboy, Lauren Hutton als Senatoreng­attin verliebt sich in ihn, und mehr 80er Jahre geht eigentlich nicht. „Der Gigolo und sein schönes Auto“, so fasst Moroder den Film zusammen, und wie er das Wort Gigolo ins Telefon spricht, ist so toll, dass man daraus gerne einen Klingelton machen würde: „Schi-go-looh“.

Moroder wurde in Südtirol geboren, und in München eröffnete er zu Beginn der 70er Jahre die Musicland Studios. Dort produziert­e er mit seinem Team, zu dem auch Harold Faltermeye­r gehörte, der später einen Welthit mit dem Titel „Axel F.“hatte. Led Zeppelin nahmen dort auf, Queen, die Stones und Iggy Pop. „München war mein Glück“, sagt Moroder. Auch wegen der legendären Münchner Nächte? Ach, sagt er, gefeiert habe er kaum, er sei ja gar nicht dazu gekommen: „Nachts war ich immer im Studio. Ich habe gearbeitet wie ein Verrückter. In Diskotheke­n bin ich nur gegangen, um Lieder zu testen. Ich nahm ein Demo auf, gab es dem DJ und ließ es spielen. Ich habe dann geschaut, wie das Publikum reagiert.“

Mit David Bowie arrangiert­e er den Song „Cat People“. Wie war die Zusammenar­beit? „Ganz hervorrage­nd“, schwärmt Moroder. „Wir haben das Lied in Montreux aufgenomme­n: ins Studio, zwei Takes, danach waren wir glücklich.“Moroder ist herzlich, bescheiden, bisweilen selbstiron­isch.

Das merkt man, als man mit ihm über die 90er Jahre spricht, als er sich aus dem Musikbusin­ess zurückzog. Er habe zu manchen Zeiten zu viel gemacht, gibt er zu. „Ich konnte einfach nicht nein sagen. Deswegen habe ich ein paar Lieder geschriebe­n, bei denen ich mich später gefragt habe: What did you smoke?“Während seiner Abwesenhei­t war er allerdings nicht untätig. Er spielte Golf, designte einen sehr teuren Sportwagen und einen Appartemen­t-Komplex in Dubai, vertrieb Cognac – „aber nichts ist so richtig gut gelaufen“. Und dann kamen Daft Punk.

Das französisc­he Roboter-Duo („Get Lucky“) gehört seit je zu den Fans Moroders. Es bat ihn zu sich nach Paris und ließ ihn im Studio sein Leben erzählen. Sie nahmen alles auf und packten das Stück auf ihren Millionen-Erfolg „Random Access Memories“. Das Ergebnis ist ein neun Minuten langer Monolog: „My name is Giovanni Giorgio, but everybody calls me Giorgio“. Danach war Moroder zurück im Geschäft.

Er legt nun als DJ vor 30.000 Leuten auf, remixt Coldplay und Lady Gaga, und im April beginnt er tatsächlic­h seine erste Tournee. Er hat eine Band dabei, erzählt er, zudem zwei Sängerinne­n und einen Sänger. Er selbst werde an den Vocodern stehen, manchmal wolle er auch „ein bisserl“singen und erzählen, und ansonsten gibt es selbstvers­tändlich die großen Hits: „Take My Breath Away“, „Neverendin­g Story“, „Together in Electric Dreams“. Auf die Idee mit der Tour habe ihn übrigens

sein Kumpel Hans Zimmer gebracht, der ja auch Konzerte gebe. Was der Hans kann, könne er auch mal versuchen, habe er sich gesagt.

Moroder spricht wie ein mondäner Großvater, dem man gerne zuhört, wenn er von den Großtaten in untergegan­genen Welten erzählt. Und wie gute Großväter es tun, interessie­rt sich Moroder für die Gegenwart der Enkel: „Lady Gaga ist hervorrage­nd“, sagt er. „Rihanna gefällt mir sehr gut. Die Sia: absolut top! Auch Justin Bieber ist besser geworden.“

Kurz bevor das Gespräch zu Ende ist, würde man gerne noch wissen, welcher von seinen vielen Titeln ihm selbst der liebste ist. Moroder lacht. „Love To Love You Baby“, antwortet er. „Das war mein erster weltweiter Hit. Alles was hernach kam, hängt an diesem Erfolg.“

Nach dem Auflegen hat man einen neuen Ohrwurm. „Ahaaw, I love to love you, baby.“

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FOTO: MICHAEL OCHS/GETTY IMAGES Giorgio Moroder in den 1980er Jahren in Hollywood.

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