NRW-Versorger hoffen auf Milliarden
Der Staat will Konzerne für die vorzeitige Stilllegung von Kohle-Kraftwerken entschädigen. Davon wollen neben RWE auch Uniper und Steag profitieren. Bedingung ist: keine Kündigungen.
DÜSSELDORF Kaum hat die Kohlekommission ihre Arbeit beendet, beginnt das große Rechnen in den Unternehmen. Wer bietet welches Kraftwerk zu welchem Preis zur Stilllegung an? Und wie kann man mit einem abgeschriebenen Kraftwerk vielleicht sogar einen Schnitt machen? Denn die Kommission hat nur den Ausstiegspfad beschrieben: Danach sollen im ersten Schritt bis 2022 fünf Gigawatt an Braunkohle und 7,7 Gigawatt an Steinkohle stillgelegt werden. Im Gegenzug sollen die Unternehmen Entschädigungen erhalten, da sie die Blöcke vorzeitig vom Netz nehmen. Diese Entschädigungen werden für die Braunkohle in Verhandlungen mit dem Staat und für die Steinkohle per negativer Auktion ermittelt. Dabei bieten die Versorger ihren Steinkohle-Block gegen eine bestimmte Entschädigungsforderung an, der Staat sucht anschließend die günstigsten aus. Das soll auch Bedenken der Europäischen Union ausräumen. Allerdings hat die Bundesnetzagentur das letzte Wort, um die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden.
Wie viel Geld gibt es? „Instrumente zur Ermittlung der Entschädigungshöhe können Ausschreibungen oder Regelungen analog zur Sicherheitsbereitschaft sein“, heißt es im Bericht der Kommission. Bei Braunkohle-Blöcken, die ab 2016 in die Sicherheitsbereitschaft gingen, gab es im Schnitt 600 Millionen Euro pro Gigawatt.
Bei Steinkohle wird es viel weniger geben, vermutet man in der Branche. Und für alle Ausschreibungen gilt: Geld fließt nur, wenn die Konzerne ohne Kündigungen auskommen. „Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen sowie unbillige wirtschaftliche Nachteile für die Beschäftigten ist notwendige Voraussetzung“, so der Bericht. Neben Stadtwerken sind in NRW vor allem große Versorger betroffen. Scholven RWE Die rheinischen Braunkohle-Kraftwerke sichern knapp 15 Prozent der deutschen Stromversorgung und sind zugleich die größten Kohlendioxid-Emittenten in Europa. Insgesamt hat RWE neun Gigawatt an Braunkohle-Kapazität und 2,2 Gigawatt an Steinkohlekapazität installiert. Daran hängen die Tagebaue Hambach, Garzweiler und Inden. Es wird spekuliert, dass RWE im ersten Zug vier 300-Megawatt-Blöcke und zwei 600-Megawatt-Blöcke stilllegen könnte. Doch noch steht nichts fest, man wartet auf konkrete Angebote. Klar ist: Die drei modernen „Braunkohlekraftwerke mit optimierter Anlagentechnik“(BoA) in Neurath, die auf insgesamt 3,1 Gigawatt kommen, dürften als letztes vom Netz gehen. Datteln 4 Uniper Die Kommission will, dass Europas modernstes Steinkohlekraftwerk, Datteln 4, zur Industrieruine wird. Wörtlich heißt es: „Für bereits gebaute, aber noch nicht im Betrieb befindliche Kraftwerke empfiehlt die Kommission, eine Verhandlungslösung zu suchen, um diese nicht in Betrieb zu nehmen.“Nun wartet der Eigentümer Uniper auf Angebote der Politik für den 1100-Megawatt-Block. Mit 600 Millionen Euro wird man sich nicht zufrieden geben. „Es ist ja kein Geheimnis, dass wir in dieses Kraftwerk weit mehr als 1,5 Milliarden Euro investiert haben“, sagt Uniper-Vorstand Eckhardt Rümmler. Die Deutsche Bahn und RWE würden sich jedenfalls über ein Aus für Datteln 4 freuen, sind sie doch als Ibbenbüren Großkunden mit teuren Verträgen aus der Vergangenheit an Datteln 4 gebunden. Böse Zungen behaupten, deshalb hätten sie (etwa über Ronald Pofalla, Bahn-Vorstand und zugleich Co-Chef der Kommission) auf den Datteln-Passus gedrängt. In NRW dürfte zudem das traditionsreiche Uniper-Kraftwerk in Gelsenkirchen-Scholven (1200 Megawatt) betroffen sein. Das will Uniper ohnehin mittelfristig auf Gas umstellen.
Steag Der Essener Konzern betreibt bundesweit sechs Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 4,5 Gigawatt, davon drei in NRW: „Walsum 10 und Bergkamen sind unsere leistungsfähigsten Anlagen und werden die letzten sein, die wir vom Netz nehmen“, erklärte der Steag-Sprecher. Damit könnten womöglich Walsum 9 oder das Kraftwerk Herne eines der ersten sein, die die Steag zur vorzeitigen Stilllegung anbietet. Dazu äußerte sich der Sprecher nicht. Steag hatte die saarländischen Kraftwerke Weiher und Bexbach bereits 2017 zur vorläufigen Stilllegung angemeldet, was die Netzagentur aber mit Blick auf die Versorgungssicherheit nicht genehmigt hatte. Zum Kohle-Kompromiss erklärte der Sprecher: „Wir sind bereit“. Zugleich kritisierte er, dass im ersten Schritt mehr Steinkohle- als Braunkohle-Kapazitäten stillgelegt werden sollen: „Steinkohle-Verstromung ist schließlich mit 30 Prozent weniger Kohlendioxid-Ausstoß verbunden.“