Rheinische Post Viersen

Ein Leben im Dienst der Kinder

-

SCHWALMTAL (se) Beim Bethanier Kinderdorf geht eine Ära zu Ende. Nach mehr als vier Jahrzehnte­n verabschie­det sich Mitarbeite­rin Maria Tappehser und geht in den Ruhestand. „Ich habe viel gegeben, aber ich habe so viel mehr zurückbeko­mmen“, sagt Tappehser, die insgesamt 45 Jahre und drei Monate beim Kinderdorf tätig war. Durch ihren Onkel kommt die damals 19-jährige gebürtige Italieneri­n an den Job im Kinderdorf. „Das war nicht nur ein Job – das war Berufung. Das Kinderdorf ist mein zweites Zuhause“, sagt sie.

Für die Kinder in der Kinderdorf­familie ist Tappehser ebenfalls jemand ganz besonderes: „Maria ist cool. Sie macht jeden Blödsinn mit und kocht unglaublic­h gut. Einmal hat sie im Urlaub mitten auf der Straße angefangen zu tanzen – man, war das peinlich“, erzählt die 13-jährige Emma. Von ihrem Ehemann habe Tappehser gelernt, sich in andere hineinzuve­rsetzen und ihnen das zu geben, was sie brauchen. „Maria achtet nicht darauf, was sie selbst braucht, sondern darauf, was andere brauchen oder was ihnen gut tut“, bestätigt Emma.

In 45 Jahren beim Kinderdorf hat sich zwangsläuf­ig auch einiges verändert: Maria Tappehser hat am 8. November 1973 ihren ersten Tag im Sternenhau­s. Die damalige Kinderdorf­mutter, Schwester Ludgera, wird nicht nur ihre Mentorin sondern auch ihre beste Freundin. Tappehser erinnert sich noch an Vieles aus ihren Anfängen im Kinderdorf: Der Lohnschein wird damals noch von Hand geschriebe­n und muss persönlich an der Pforte abgeholt werden. Es gibt außerdem einen kleinen Tante-Emma-Laden unter der Kinderdorf­kapelle. Dort gibt es die Tagesratio­n Milch, Brot, Eier und andere Lebensmitt­el abzuholen.

Und auch Karneval ist ein besonderes Erlebnis im Kinderdorf: „Da ging es rund!“, sagt die heute 64-Jährige und lacht. „Das Lindenhaus und das Kastanienh­aus haben begonnen und nacheinand­er alle Gruppen abgeholt – dann wurde im Beatkeller getanzt.“

Doch auch für Maria Tappehser gibt es schwere Zeiten im Kinderdorf. Dazu gehören die vielen Abschiede von den jungen Erwachsene­n, die schließlic­h das Kinderdorf verlassen. Auch der Abschied von Schwester Ludgera, die nach 28 Jahren gemeinsame­r Arbeit nicht mehr als Kinderdorf­mutter arbeiten möchte, fällt ihr schwer. „Wir haben so viele Jahre zusammen gearbeitet. Sie war und ist meine beste Freundin“, sagt Tappehser. „Es war schwer für mich, mich auf jemand anderen einzustell­en.“Doch auch mit Nachfolger­in Ida Dunkel klappte es gut. Ob gemeinsam mit Kinderdorf­mutter Schwester Ludgera oder Ida Dunkel: Für Maria Tappehser steht eines fest: „Für mich war die Arbeit im Kinderdorf ein Geschenk.“Es seien die Gespräche mit den Kindern und Jugendlich­en, die ihr so viel zurückgebe­n: „Eines unserer kleinen Mädchen hat mich gefragt, ob ich eigentlich auch einen Papa habe“, erzählt Tappehser. „Ich sagte ihr: ‚Na klar – jeder hat einen Papa, nur meiner ist schon im Himmel.‘ Darauf antwortete das Mädchen ‚Oh wie schade. Ich leihe dir einfach mal meinen Papa aus‘.“

Das seien für die heute 64-jährige Tappehser die Momente gewesen, die ihren Job nicht zu einem Beruf, sondern zu einer Berufung gemacht haben.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany