Rheinische Post Viersen

Der qualvolle Tod des 19 Tage alten Säuglings muss erneut verhandelt werden. Wieder geht es um die Rolle der Mutter bei dem Mord.

- VON GABI PETERS

EICKEN Was ist in der Frau vorgegange­n, als sie in der Nacht zum 21. Oktober 2015 die Schreie ihres Babys aus dem Nachbarzim­mer hörte? Wusste sie, dass ihr Ehemann den erst 19 Tage alten Leo umbringen wollte? Und warum ist sie nicht eingeschri­tten? Diese Fragen haben sich beim ersten Prozess schon viele Menschen gestellt, beim zweiten auch. Und um diese Fragen wird es wieder gehen – bei einer dritten Auflage bei Gericht.

Denn beim Bundesgeri­chtshof wurde das Urteil gegen die Mutter jetzt zum zweiten Mal aufgehoben. Nach zwei Verhandlun­gsverfahre­n vor dem Mönchengla­dbacher Landgerich­t müssen jetzt Richter am Düsseldorf­er Landgerich­t in dem schwierige­n Fall übernehmen.

In der Nacht zum 21. Oktober sollte der kleine Leo sterben. Schon zuvor hatte der Vater den kleinen Jungen gequält. In jener Nacht, als es dem Mann wieder einmal nicht gelang, das Baby zu beruhigen, begannen Misshandlu­ngen. Drei Stunden sollten sie dauern, bis das schreiende Kind verstummte und schwerverl­etzt starb. Die Mutter hielt sich während der ganzen Zeit im Nebenzimme­r auf. Trotz der lauten Schreie des Babys griff sie nicht ein.

Wegen Mordes verurteilt­en die Richter den Vater am 31. Mai 2016 zu lebenslang­er Haft, die zweijährig­e Freiheitss­trafe für die Mutter wegen Misshandlu­ng von Schutzbefo­hlenen wurde zur Bewährung ausgesetzt. Doch gegen das Urteil gegen die Angeklagte legte die

Staatsanwä­ltin Revision ein. Bei einer neuen Verhandlun­g wurde die Mutter am 11. Dezember 2017 zu einer Freiheitss­trafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Doch auch dieses Urteil hob der Bundesgeri­chtshof auf. Dieses Mal hatte die Angeklagte Revision eingelegt.

Die Richter aus Karlsruhe bestätigte­n das Landgerich­t Mönchengla­dbach, das zur Ansicht gekommen war, die Mutter habe den Tod ihres Kindes aufgrund der Misshandlu­ngen absehen können. Sie erkannten auch an, dass ihr Nichteinsc­hreiten zur Tat beigetrage­n habe. Nur die Frage, ob die heute 28-Jährige im juristisch­en Sinne wirklich eine Mittäterin war, sei nicht ausreichen­d geklärt. Möglicherw­eise komme auch eine Bestrafung wegen Beihilfe in Betracht. „Die Sache bedarf deshalb der neuen Verhandlun­g und Entscheidu­ng“, heißt es im Beschluss des Bundesgeri­chtshofs. Die Richter aus Karlsruhe sagen aber auch: „Die rechtsfehl­erfrei getroffene­n Feststellu­ngen zum objektiven Tatgescheh­en können indes bestehen bleiben.“

Das heißt: Auch die Richter des Bundesgeri­chtshofs gehen davon aus, dass die Mutter von den fortwähren­den Misshandlu­ngen ihres Babys wusste, dass sie die Übergriffe hätte verhindern können. Aber wollte sie auch den Tod des Kindes, oder hatte sie sich nur dem Willen ihres Mannes untergeord­net? Das sei die Frage, die noch geklärt werden müsse.

Je nachdem wie Richter in Düsseldorf entscheide­n, könnte ein neues Urteil der 28-Jährigen, die mittlerwei­le geschieden wurde und einen anderen Namen trägt, auch möglicherw­eise eine Haftstrafe ersparen. Aber noch ist alles offen. Bei den vorangegan­genen Prozessen hatte die Staatsanwa­ltschaft jeweils mehrjährig­e Haftstrafe­n (siebeneinh­alb und sechseinha­lb Jahre) für die Mutter gefordert.

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 ?? FOTOS: RAUPOLD/DPA ?? Kerzen und Plüschtier­e wurden für den ermordeten Leo im Oktober 2015 aufgestell­t. Die Anteilnahm­e war groß.
FOTOS: RAUPOLD/DPA Kerzen und Plüschtier­e wurden für den ermordeten Leo im Oktober 2015 aufgestell­t. Die Anteilnahm­e war groß.

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