Das Unlustprinzip
Pflichten machen das Leben schwer – wenn man sich nicht bewusst entscheidet.
Es gibt viel Skepsis gegenüber dem Pflichtgefühl. Das hat mit historischen Erfahrungen zu tun: Wenn Pflichterfüllung in autoritären Systemen absolut gesetzt wird, und Menschen genötigt werden, gegen ihre ethischen Überzeugungen zu handeln, wird die Pflicht zu einem Instrument der Gewalt. Dabei kann Pflicht nie von der Verantwortung für das eigene Handeln und dessen Folgen entbinden.
Damit ist über das Pflichtgefühl jedoch nicht alles gesagt. Denn heute bedeutet eine Pflicht zu übernehmen auch, Bequemlichkeiten zu überwinden, etwas zu tun, auch wenn es keinen Spaß macht. Das liegt nicht gerade im Trend. Ein gutes Miteinander fußt aber auf diesem Unlustprinzip. Es braucht Menschen, die sich verpflichten.
In Pflicht steckt das mittelhochdeutsche Wort „phlegen“, das unter anderem kümmern, und umsorgen bedeutet. Wer Pflichten übernimmt, hat ein Auge für die Belange anderer, hilft, weil es geboten ist. Und wer Pflichtgefühl besitzt, tut das nicht nur nach Lust und Laune, sondern verlässlich. Diese Art von Disziplin ist sehr viel wert. Allerdings kann Pflichterfüllung, die nicht aus innerer Überzeugung geschieht, sondern aufgrund äußeren Erwartungsdrucks, Menschen aufzehren. Sie handeln mit einem Gefühl von du musst, du musst, du musst! Sie empfinden die Pflicht als eine Last, die sie nicht mehr los werden. Das macht müde. Und unfrei.
Ein gutes Pflichtgefühl wächst aus dem Sinn des Tuns. Man ist überzeugt von etwas und setzt sich verbindlich dafür ein. Das muss nichts Großes sein, auch das freundliche Wort zum ollen Nachbarn kann man sich zur Pflicht machen. In Momenten, wenn eine Aufgabe lästig wird, kann man sich dann selbst daran erinnern, dass man aus innerer Überzeugung eingewilligt hat – und frei seine Pflicht tun.