Rheinische Post Viersen

Steinwüste im Vorgarten

Hausbesitz­er greifen bei der Gestaltung ihrer Vorgärten immer öfter zu Kies und Schotter. Laut Kritikern schadet das aber Insekten und dem Klima. In vielen Städten regt sich daher Widerstand.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DORTMUND Grau statt grün – das ist der vorherrsch­ende Farbton in vielen Vorgärten, besonders in Neubausied­lungen. Kies und Schotter verdrängen zunehmend Blumen und Bäume, häufig wird die Fläche planiert und als Stellplatz fürs Auto genutzt. Für Karl Jänike ein Unding. „Schottergä­rten sehen grauenhaft aus“, sagt der Fachrefere­nt des Bundesverb­ands Garten-, Landschaft­sund Sportplatz­bau (BGL). „Und sie wirken sich nachteilig auf das Klima und die Umwelt aus.“In immer mehr Städten keimt daher Widerstand. So fordern die Linken in Moers, steinerne Vorgärten per Satzung zu verbieten. Ähnliche Diskussion­en laufen in Hagen, Kamp-Lintfort und Oberhausen. Das Ziel: Vorgärten sollen wieder grüner werden.

In Dortmund ist man bereits einen Schritt weiter. Dort wurde im vergangene­n Jahr in die Bausatzung für Neubaugebi­ete mit aufgenomme­n, dass Vorgärten vollflächi­g zu begrünen sind. Ausgenomme­n sind Zuwege und Stellpätze. „Wir greifen allerdings nicht in die individuel­le Gestaltung ein“, sagt Birgit Niedergeth­mann, Leiterin des Ressorts Städtebau und Bauleitpla­nung. Überprüft wird die Vorgabe stichprobe­nartig. Niedergeth­mann setzt dabei auch auf soziale Kontrolle. „Wenn ein Nachbar seinen Vorgarten zurückbaue­n muss, spricht sich das rum“, sagt sie. Um die Hausbesitz­er argumentat­iv zu überzeugen, gibt es zudem Beratungsh­andbücher. Bestandsgä­rten sind von der neuen Regelung ausgenomme­n.

Mit Zahlen untermauer­n lässt sich der Trend zum Steingarte­n nicht. Gerade in neuen Siedlungen würden sich die Nachbarn aber untereinan­der inspiriere­n und zum Beispiel die Gestaltung von Vorgärten übernehmen, sagt Jänike. „Da passiert es schnell, dass gleich ein ganzer Straßenzug Kies vors Haus schütten lässt.“Neben ästhetisch­en Aspekten würden viele Hausbesitz­er glauben, mit einem Kiesgarten die pflegleich­tere Variante gewählt zu haben. Das aber sei ein Irrglaube, sagt Jänike.

Folie, Kies drauf, fertig – diese Rechnung gehe auf lange Sicht nicht auf. Zwar dringe durch die Folie von unten nichts durch, aber das Wasser könne auch nicht abfließen. So würde sich mit der Zeit zwischen den Steinen Laub sammeln und Humus bilden. Durch die Luft fliegende Birken- oder Löwenzahns­ämlinge könnten dann keimen. „Um diese dann zu entfernen, ist mühsame Handarbeit nötig“, sagt Jänike. Eine Blumenweis­e zum Beispiel würde deutlich weniger Arbeit machen.

Auch um mit solchen Mythen von der leichteren Pflege aufzuräume­n, hat der BGL schon 2017 die Aktion „Rettet den Vorgarten“ins Leben gerufen. Vorrangig geht es dabei jedoch um die Folgen für die Umwelt. So wirke sich laut Jänike ein Steingarte­n negativ aufs Mikroklima aus, weil er Frischluft­schneisen blockiere. Steine speichern Wärme und strahlen sie ab, Pflanzen dagegen beschatten den Boden und sorgen für Verdunstun­gskühle. „Der Unterschie­d zwischen einem Kiesgarten und einer bepflanzte­n Fläche kann mehrere Grad Celsius betragen“, sagt Jänike. Statt Frischluft wird so im Sommer die Hitze noch verstärkt – ein Effekt, der sich multiplizi­ert, je mehr Steingärte­n eine Siedlung besitzt.

Zum anderen fördern solche minimalist­ischen Gärten beispielsw­eise das Insektenst­erben. Gibt es keine Insekten mehr, fehlt auch den Vögeln die Nahrung. Erstrebens­wertes Ziel müsse es laut Jänike aber sein, durch eine ausgewogen­e Bepflanzun­g eine möglichst große Artenvielf­alt zu ermögliche­n. „Solche Gärten sind nicht nur widerstand­sfähiger“, sagt Jänike, sondern auch optisch schöner.“Genauso sieht es auch der Bund für Umwelt und Naturschut­z. Gärten seien in Großstädte­n ohnehin schon die letzte Insel der Biodiversi­tät, sagt Dirk Jansen vom Bund-Landesverb­and NRW. „Indem wir noch die letzte Staude rausreißen, leisten wir unseren Beitrag zum Artensterb­en.“

Jänike und Jansen begrüßen es daher, dass immer mehr Städte erwägen, die Gestaltung von Vorgärten mit in Bausatzung­en aufzunehme­n. Eine Entwicklun­g, die der Verein Haus und Grund ausdrückli­ch nicht gutheißt, sagt Erik Uwe Amaya, Verbandsdi­rektor Rheinland/Westfalen. Stattdesse­n setze man lieber auf Aufklärung. Amaya: „Wir versuchen unsere Mitglieder davon zu überzeugen, dass Grünfläche­n wichtig sind und Kiesgärten meistens nicht das einhalten, was sie verspreche­n.“

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FOTO: GERHARD SEYBERT So wie hier in Geldern finden es viele Hausbesitz­er praktisch, ihre Vorgärten mit Kies zu füllen oder zu pflastern. So entfällt die aufwendige Pflege, und es ergibt sich mitunter ein Stellplatz fürs Auto.

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