Rheinische Post Viersen

Brutaler Überfall nach Ebay-Handel

Es begann mit einem Inserat auf Ebay Kleinanzei­gen und endete mit einem Überfall: Am Landgerich­t Köln wird ein Fall verhandelt, bei dem ein 59-Jähriger die Verkäuferi­n eines Kinderbett­es lebensgefä­hrlich verletzt haben soll.

- VON SUSANNE HAMANN

KÖLN Dieser Überfall hätte jedem passieren können. Das wird aus der Verlesung der Anklage am Landgerich­t Köln schnell deutlich. Telefonisc­h soll sich ein 59-Jähriger aus dem Rhein-Sieg-Kreis am Morgen des 31. August 2018 mit einer Frau verabredet haben, die ein Kinderbett auf der Onlineplat­tform Ebay Kleinanzei­gen zum Verkauf angeboten hatte. Wie vereinbart, soll der Mann gegen 10 Uhr geklingelt haben. Per Türöffner ließ sie ihn in ihre Wohnung. Im Flur hatte die Frau die Einzelteil­e des Kinderbett­s ausgebreit­et. Als sie sich niederknie­te, um dem potenziell­en Käufer zu zeigen, wie man das Bett zusammenba­ut, soll er ihr einen Arm um den Hals gelegt und versucht haben, ihr eine Strumpfhos­e als Knebel in den Mund zu schieben. Es entwickelt­e sich ein Kampf um Leben und Tod, so schildert es die Staatsanwa­ltschaft. Die Frau wurde durch Stiche mit einem Taschenmes­ser lebensgefä­hrlich verletzt.

Nun steht der Mann vor Gericht. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm gefährlich­e Körperverl­etzung, versuchte Geiselnahm­e und versuchten besonders schweren Raub vor. Als Motiv für den Überfall vermutet die Staatsanwa­ltschaft, der Frührentne­r habe „seine finanziell­e Situation aufbessern“wollen. Während der Verlesung der Anklage fixiert der Mann mit dem dunkelblon­den Haar im Gericht einen Punkt am Richterpul­t. Nicht ein einziges Mal dreht er seinen Kopf. Das Opfer ist an diesem Tag gar nicht erst vor Gericht erschienen.

Laut Staatsanwa­ltschaft hat sich die Frau nach dem Angriff im Flur so stark gewehrt, dass sie sich befreien konnte und weglief. Der Mann soll ihr jedoch gefolgt sein und sie ins Badezimmer geschoben und ihre Hände mit Kabelbinde­rn gefesselt haben. Daraufhin soll er in der Wohnung nach teuren Gegenständ­en gesucht haben. Doch wieder gelang es der Frau, sich zu befreien. Sie rannte zu einem der Kinderzimm­er, öffnete ein Fenster und schrie um Hilfe. Der Angreifer zog sie weg und bugsierte sie wieder zurück zum Badezimmer. „Geh da rein oder ich stech’ dich ab“, hat er laut Staatsanwä­ltin gesagt, in der Hand ein Taschenmes­ser mit einer acht Zentimeter langen Klinge. Lebensgefä­hrlich verletzt, gelang es der Frau schließlic­h, die Wohnungstü­r zu öffnen. Dort warteten bereits zwei Passanten und ein Nachbar. Der Angreifer sei von den Zeugen schließlic­h überwältig­t worden. Das Opfer überlebte den Überfall nach einer Notoperati­on im Krankenhau­s. Laut Staatsanwä­ltin ist das Opfer seitdem traumatisi­ert.

Der Verteidige­r machte beim Prozessauf­takt nur wenige Angaben. Der Angeklagte wolle sich selbst noch äußern und sich geständig zeigen, sagte er. Außerdem biete der Angeklagte der Frau eine Geldzahlun­g als Entschädig­ung an. Im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs sollen das 15.000 Euro Wiedergutm­achung sein.

Der Fall weckt Ängste, auch bei Unbeteilig­ten. Denn wer gebrauchte Sachen per Inserat verkauft, sieht sich schnell in der Situation, Fremden die Tür öffnen zu müssen – zumindest, wenn es sich um sperrige Gegenständ­e handelt, die man nicht so schnell mit an einen neutralen Ort wie ein Café nehmen kann. Dem Landeskrim­inalamt zufolge handelt es sich bei der Tat wahrschein­lich aber um einen Einzelfall. Statistisc­he Daten dazu, wie viele Anzeigen wegen schwerer Körperverl­etzung bei der Polizei im Zusammenha­ng mit einem Online-Angebot eingegange­n sind, gibt es demnach keine.

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