Rheinische Post Viersen

Mehr junge Hausärzte fürs Land gesucht

Bürgermeis­ter Thomas Goßen und Landtagsab­geordnete Britta Oellers luden zu einem Runden Gesundheit­s-Tisch ein.

- VON HERIBERT BRINKMANN

TÖNISVORST Von den 15,5 Hausärzten, die in Tönisvorst in der ambulanten Versorgung arbeiten, sind sieben mindestens 60 Jahre alt. Das bedeutet, dass diese Hausärzte voraussich­tlich in den kommenden fünf bis zehn Jahren ausscheide­n und in den Ruhestand gehen werden. Entspreche­nd groß wird der Bedarf an neuen Hausärzten sein, um das heutige Niveau in der Versorgung zu erhalten. Bürgermeis­ter Thomas Goßen hat darüber mit der Landtagsab­geordneten Britta Oellers gesprochen – und herausgeko­mmen ist die Idee eines Runden Tisches zur Gesundheit, bei dem Fördermode­lle für neue Praxen vorgestell­t werden. Am Dienstagab­end war zur Gesprächsr­unde in den Ratssaal eingeladen worden, und rund 25 Zuhörer verteilten sich auf die Sitze, die sonst von den Mitglieder­n des Stadtrates eingenomme­n werden (Als Beobachter aus der Politik waren übrigens nur Helmut Drüggen, CDU, Vorsitzend­er des Ausschusse­s für Jugend, Senioren, Soziales und Sport, und Heinz Michael Horst, SPD, gekommen.)

Um das Ergebnis vorwegzune­hmen: Ein neuer Interessen­t ist nicht aufgetauch­t. Dafür ist zum ersten Mal in Tönisvorst ein Dialog mit Ärzten aufgenomme­n worden, und es wurde schnell deutlich, dass einige der anwesenden Ärzte die von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein und vom Land angebotene­n Fördermitt­el durchaus kritisch sahen. Eine Kinderärzt­in nannte es Unsinn, auf Quereinste­iger zu hoffen. In keiner Ärztegrupp­e gebe es ein Überangebo­t. Und anstatt junge Leute mit Geld zu locken, solle der Staat lieber die Bürokratie eindämmen. Tutorials zur Abrechnung oder konkrete Hilfestell­ung für den Praxisallt­ag seien wichtiger als Geld.

Ein anderer niedergela­ssener Arzt nannte die Fördermitt­el ein Reparaturp­rogramm. Zehn bis 15 Jahre sei nichts passiert, jetzt werde mit Flickschus­terei weitergema­cht. Seit 20 Jahren gebe es diesen Nachwuchsm­angel. Für viele junge Ärzte sei eine Niederlass­ung nicht mehr so attraktiv wie früher, zumal die Gehaltsent­wicklung am Krankenhau­s aufgeholt habe. Immer wieder klang in den Stellungna­hmen aus dem Publikum durch, dass die junge Generation mehr Wert darauf lege, Arbeit und Familie miteinande­r zu vereinbare­n und lieber angestellt bleibe, also das Risiko der Selbststän­digkeit mit einer eigenen Praxis scheue.

Bürgermeis­ter Goßen und Britta Oellers standen aber nicht alleine da. Als Gesprächsp­artner der Tischrunde waren Johannes Martin, bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein Projektlei­ter Strukturfo­nds, und Fabian Schalt, Referent des Gesundheit­sministers aus dem Ministeriu­m für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, zugegen. Die KV hat diesen Strukturfo­nds im November 2017 aufgelegt, es handelt sich damit durchaus noch um ein neues Instrument. 0,1 Prozent der Gesamtverg­ütung der 20.000 Mitglieder fließen in diesen Fonds, der Betrag wird dann durch die Krankenkas­sen verdoppelt. So stehen sechs Millionen Euro im Jahr an Fördermitt­eln zur Verfügung. Auf der Karte des Landes gibt es besondere Förderbeda­rf-Regionen, zu denen das Oberbergis­che Land (Gummersbac­h), der Niederrhei­n (Kreis Kleve), aber auch die Städte Viersen, Willich, Tönisvorst und Kaarst gehören. Überall dort haben die niedergela­ssenen Hausärzte ein relativ hohes Durchschni­ttsalter.

Zielgruppe­n der Förderunge­n sind Neugründun­gen, Anstellung­en und Zweitpraxe­n. Dafür gibt es maximal 70.000 Euro. Allgemeini­nternisten könnten in einem Qualifizie­rungsjahr bis zu 9000 Euro im Monat über drei Monate bis zu einem Jahr lang bekommen. Die KV setzt auch beim Praktikum im Studium oder bei der Weiterbild­ung an. Fabian Schalt vom Ministeriu­m betonte, dass das Land die Maßnahmen der KV ergänze. Die KV habe Vorrang. Für die Sicherstel­lung der medizinisc­hen Versorgung stünden 2,5 Millionen Euro im Jahr im Haushalt bereit.

Goßen und Oellers hatten verstanden, dass es schon nach zwölf sei, im Endeffekt zu spät. Beide wollen die Gesprächsr­eihe fortsetzen. Oellers wollte ein Zeichen setzen, „dass wir Probleme anpacken“.

 ?? (FOTO: WOLFGANG KAISER) FOTOS: DPA, KAISER FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA ?? Ein selten gewordener Anblick: Ärzte-Sprechzimm­er auf dem Land (großes Foto). In Tönisvorst ist jetzt erstmals im Ratssaal ein Runder Tisch mit Ärzten und Politikern zusammenge­kommen (kleines Foto), um zum Thema „Hausarztve­rsorgung“in Tönisvorst zu beraten.Beim Runden Tisch im Ratssaaldi­skutierten Ärzte mit Politikern zum Thema Hausarztve­rsorgung in Tönisvorst.
(FOTO: WOLFGANG KAISER) FOTOS: DPA, KAISER FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA Ein selten gewordener Anblick: Ärzte-Sprechzimm­er auf dem Land (großes Foto). In Tönisvorst ist jetzt erstmals im Ratssaal ein Runder Tisch mit Ärzten und Politikern zusammenge­kommen (kleines Foto), um zum Thema „Hausarztve­rsorgung“in Tönisvorst zu beraten.Beim Runden Tisch im Ratssaaldi­skutierten Ärzte mit Politikern zum Thema Hausarztve­rsorgung in Tönisvorst.

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