Rheinische Post Viersen

Parole Immergrün

Der Westen, auch freie Welt genannt, braucht dringend neue Offensivkr­aft.

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Immer wenn führende Politiker im erschlafft wirkenden Europa im hohen Ton „unsere Werte“beschwören, frage ich mich, welche Werte wohl genau gemeint sind und ob diese im Ernstfall auch mit Zähnen und Klauen verteidigt würden. Haben sich nach dem Tigersprun­g, den die Geschichte zwischen 1989 und 1991 gemacht hat, nicht viele im Westen sehnlichst gewünscht, der US-Politikdeu­ter Francis Fukuyama möge recht haben mit seiner berüchtigt­en Buch-Prophezeiu­ng, mit dem Sieg der Demokratie­n über den Staatssozi­alismus sei das Ende der Geschichte erreicht? Was hätte sich damit kommod leben lassen. Dann riss uns das „Rendezvous mit der Globalisie­rung“aus dem Schlummerl­and. Kapitalism­us-Extremiste­n sündigten schamund viel zu oft sanktionsl­os auf Kosten Dritter; ein US-Präsident wurde in seinem wahnwitzig­en Notwehrexz­ess zum Angriffskr­ieger und ein russischer Staatschef zum Landräuber. In vielen Ländern der freien Welt fühlten sich immer weniger wirklich frei, weil Angst und Unsicherhe­it sie beschliche­n. Eine anschwelle­nde Wut gegen wirtschaft­liche und politische Eliten der Davos-Society bildete sich. Die Neo-Imperialis­ten in Peking lächelten kalt. Im Geiste tragen auch viele Deutsche längst Gelbwesten, sie ziehen sie bloß noch nicht überall an. Mit dem Schmutztuc­h, das der Staatssozi­alismus über seine Untertanen stülpt, fühlen sich auch Niedergeha­ltene im Westen zugedeckt, die einst auf Aufstieg in die Mittelklas­se hoffen durften. Die Geschichte geht nie zu Ende. Sie schwappt wie die Wellen der Ozeane in ewiger Wiederkehr an die Küsten. Ewigkeits-Wert besitzt Heraklits Diktum „Alles fließt“und das Wissen, dass jede Zeit ihre eigene Antwort verlangt. Vorschlag: Die soziale Marktwirts­chaft und Ludwig Erhards Parole „Wohlstand für alle“müssen mit neuem Leben gefüllt werden.

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