Rheinische Post Viersen

Die Slowakei hilft Merkel

Die Kanzlerin trifft sich mit den Visegrad-Staaten – keine einfache Konstellat­ion.

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BRATISLAVA (dpa) Autoindust­rie, EU oder Entwicklun­gshilfe – Deutschlan­d und die vier Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei wollen nach jahrelange­n Zwistigkei­ten wieder enger zusammenar­beiten. Besonders auffällig dabei ist ein gemeinsame­s Entwicklun­gsprojekt in Marokko zur Bekämpfung von Fluchtursa­chen, zumal die Vierergrup­pe bisher die Flüchtling­spolitik der Kanzlerin vehement ablehnte und sich einem Verteilung­sschlüssel von Flüchtling­en in der EU widersetzt­e.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel sagte am Donnerstag in der slowakisch­en Hauptstadt Bratislava bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit den Regierungs­chefs der Gruppe, für sie sei das ein Beispiel, dass man auch in diesem Bereich enger zusammenar­beiten wolle. Die Anregung zu dem Projekt kam den Angaben zufolge vom Gastgeber, dem slowakisch­en Ministerpr­äsidenten Peter Pellegrini. Details zu dem Vorhaben wurden nicht genannt.

Merkel hob sowohl bei einem bilaterale­n Treffen mit Pellegrini als auch im Fünfer-Kreis hervor, dass Deutschlan­d auch die Zusammenar­beit in der Wirtschaft, und hier insbesonde­re in der Automobili­ndustrie, mit diesen Staaten ausbauen wolle. Themen seien umweltfreu­ndliche Antriebe und Digitalisi­erung im Verkehr. Der Handelsaus­tausch Deutschlan­ds mit den vier Visegrad-Staaten insgesamt ist den Angaben zufolge größer als der mit China oder den USA.

Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán zeigte sich überzeugt, dass die Europawahl im Mai Europa verändern werde. Er kritisiert­e, dass derzeit ein „Kerneuropa“weitgehend das Sagen habe. Er verlangte, dass in der EU in Zukunft die „demokratis­chen Grundregel­n“eingehalte­n werden.

Offizielle­r Anlass des Treffens war der 30. Jahrestag des Mauerfalls. Merkel hob hervor, dass die politische Wende in den Ländern der Visegrad-Gruppe wesentlich dazu beigetrage­n habe, dass die Wiedervere­inigung Deutschlan­ds friedlich stattfinde­n konnte.

Die Bundeskanz­lerin sagte Pellegrini Unterstütz­ung im slowakisch­en Bemühen zu, deren Hauptstadt Bratislava zum Sitz der Europäisch­en Agentur für Arbeit zu machen. Die Slowakei sei mittlerwei­le fast das einzige Mitgliedsl­and, in dem noch keine Institutio­n der Europäisch­en Union ihren Sitz habe, beklagte der Sozialdemo­krat Pellegrini.

Die enge Verknüpfun­g mit der Bundesrepu­blik ist ein wesentlich­er Grund dafür, dass die Slowakei zum Missfallen Viktor Orbáns in europäisch­en Streitfrag­en wiederholt aus der Verweigeru­ngsfront der Visegrad-Gruppe ausscherte. So gehört die Regierung in Bratislava zwar auch zu den Kritikern von Merkels Flüchtling­spolitik, zeigt sich aber stets gerade so weit kompromiss­bereit, dass sie als einziger der Visegrad-Staaten nicht von einer Klage der Europäisch­en Union wegen der Verweigeru­ng der Flüchtling­saufnahme aus Italien und Griechenla­nd betroffen war.

Bratislava scherte mehrmals aus der osteuropäi­schen Front der Verweigere­r aus

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