Kartellamt legt Facebook Fesseln an
Das Amt greift durch: Facebook missbrauche seine marktbeherrschende Stellung. Das Online-Netzwerk wehrt sich.
BONN Über ein privates Smartphone nutzt Kartellamtspräsident Andreas Mundt zwar Facebook oder dessen Ableger Whatsapp und Instagram mit gewisser Freude, um sich zu informieren, aber dienstlich hat er dem sozialen Netzwerk den Kampf angesagt: Das Bundeskartellamt hat Facebook deutliche Restriktionen bei der Nutzung von Kundendaten auferlegt. Das verkündete Mundt am Donnerstag in Bonn. „Das ist ein spektakulärer Vorstoß“, sagt der Düsseldorfer Kartellrechtler Rupprecht Podszun, „erstmals wird das Datenverwerten als zentrales Geschäftsmodell eines Silicon-Valley-Konzerns attackiert.“
Die Behörde erlaubt zwar, dass das soziale Netzwerk sowie Whatsapp und Instagram weiter alle erhobenen Daten der Kunden nutzen. Doch ein zentrales Ausschlachten der Infos ist nur noch möglich, wenn die Kunden freiwillig zustimmen. Wenn die Einwilligung nicht erteilt wird, müssen die Daten beim Facebook-Ableger bleiben und dürfen nicht kombiniert verarbeitet werden. Wichtig: Verboten wird auch das Verwerten von Daten, die viele andere Online-Firmen auf Drittseiten im Internet oder über „Like-Buttons“für Facebook sammeln.
„Wir nehmen bei Facebook für die Zukunft eine Art innere Entflechtung der Daten vor“, sagte Mundt. Er betonte, dass der US-Konzern die Auflagen nicht umgehen kann, indem er einen Dienst nur anbietet, wenn die Nutzer einer Querverwertung der Daten zustimmen. „Freiwilligkeit heißt, dass die Nutzung der Facebook-Dienste nicht von der Einwilligung des Nutzers in diese Art der Datensammlung abhängig gemacht werden kann.“
Basis des harten Kurses ist die Feststellung des Kartellamtes, dass Facebook marktbeherrschend ist. Der Konzern habe in Deutschland mit 23 Millionen täglichen und 32 Millionen monatlichen Nutzern einen Marktanteil von 95 Prozent bei täglichen Nutzern und von mehr als 80 Prozent bei den monatlichen Nutzern, sagt Mundt. Außerdem wachse Facebook weiter, weil es vom Netzwerkeffekt profitiere: „Immer mehr Kunden wollen partizipieren, also melden sich immer mehr an.“Und weil Facebook immer mehr Daten hat, sei auch die Werbewirtschaft zunehmend interessiert.
Facebook widerspricht: Die Menschen würden viel breiter, als von der Behörde angenommen, kommunizieren. Andere Internet-Firmen wie Google, Twitter oder Amazon würden um die Aufmerksamkeit der Nutzer kämpfen. Es sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit, den internen und externen Datenaustausch zu blockieren. Also wird der US-Konzern wohl gegen die Auflagen klagen, wahrscheinlich wird er versuchen, sie mit einer einstweiligen Verfügung zu stoppen.
Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, begrüßt die Linie der Kartellbehörde: „Der Datensammelwut wird zum Schutze von Verbrauchern mit Mitteln des Kartellrechts begegnet.“Er ergänzt: „Auch nach unserer Auffassung verstößt das Verhalten von Facebook gegen geltendes Datenschutzrecht und sollte untersagt werden.“
Falls Facebook die Auflagen ignoriert, könnte das teuer werden. Das Kartellamt droht mit einem Bußgeld in Höhe von zehn Prozent des Jahresumsatzes. Facebook soll in vier Monaten dem Kartellamt Vorschläge unterbreiten, wie Kunden frei auswählen können, ob ihre Daten zusammengeführt werden. Jurist Podszun erwartet allerdings, dass es erst einmal ein langes Verfahren bis zum Bundesgerichtshof gibt: „Es geht ja ums Prinzip. Ist es ein Missbrauch einer sehr starken Marktstellung, die Daten der Kunden so breit auszuwerten?“
Dem Grünen Europa-Abgeordneten Sven Giegold reicht das Vorgehen des Kartellamtes nicht: „Wir Grünen wollen eine europäische Aufsichtsbehörde, die die Digitalkonzerne laufend unter die Lupe nimmt. Wir hecheln mit unseren unzureichenden Instrumenten dem Marktmissbrauch hinterher.“