Bauland-Streit führt zu Schweizer Volksabstimmung
GENF Lärmende breite Straßen, wuchtige Wohnblocks neben Industrieanlagen und überall grauer Beton: Außerhalb der pittoresken Zentren verlieren etliche Schweizer Städte schnell ihren Glanz. Doch jetzt wollen die Jungen Grünen der „Zersiedelung“Helvetiens Einhalt gebieten: Sie erzwangen eine Volksinitiative, über die am Sonntag abgestimmt wird. Nein zu der Initiative mit dem sperrigen Namen „Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung“sagen Regierung und Parlament.
Pro Sekunde werde in der Schweiz fast ein Quadratmeter Grünfläche zubetoniert, heißt es bei den Junggrünen. Nach ihren Angaben bebauten die Eidgenossen seit 1985 mehr als 580 Quadratkilometer – eine Fläche größer als der Bodensee. Insgesamt erstreckt sich die die Schweiz über mehr als 41.000 Quadratkilometer. Aber: In dem Alpenland können in weiten Gebieten gar keine Gebäude, Straßen oder Anlagen errichtet werden. Berge, Geröll und Seen verhindern das. Für die Junggrünen steht das Urteil fest: Der Umgang mit dem kostbaren Boden sei viel zu verschwenderisch.
Jetzt versprechen die Umweltfreunde nichts weniger als eine andere Schweiz: Sie wollen die Naturflächen schützen, den nachhaltigen Umgang mit Bauland fördern und lebenswerten Wohnraum bereitstellen. Das alles soll durch eine Änderung der Verfassung erreicht werden. Demzufolge würde die Gesamtfläche der Bauzonen unbefristet eingefroren. Neue Bauzonen dürften nur noch entstehen, wenn anderswo eine mindestens ebenso große Fläche von gleich großem landwirtschaftlichem Ertragswert aus ihrer Bauzone gestrichen wird. „Diese Tauschgeschäfte könnten innerhalb der Kantone und zwischen den Kantonen stattfinden“, erklärt Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungen Grünen gegenüber dieser Zeitung. Details müsste das Parlament noch erarbeiten. „Wir wollen sicher keinen Baustopp für die Schweiz“, erläutert Franzini. „Bauen ist in Ordnung, aber nicht überall.“
Gegen die Initiative macht die sozialdemokratische Umweltministerin Simonetta Sommaruga mobil. Sie wirft den Jungen Grünen vor, ihr Plan sei viel zu starr. Das Einfrieren der Bauzonenfläche behindere die sinnvolle Entwicklung des Landes. Zudem werde die Umverteilung von Bauzonen nicht reibungslos zu organisieren sein. Sie fragt die Jungen Grünen: „Wollen Sie eine nationale Planungsbehörde, welche die Kantone zwingt, Bauland an andere abzugeben?“
Dann zeigt Sommaruga auf den Geldbeutel der Schweizer. Mit den Immobilienpreisen würden auch die Mieten steigen. Eine Schreckensvorstellung für viel Schweizer. Kaum verwunderlich, dass laut Umfragen die Zustimmung zu der Initiative schrumpft. Laut den Demoskopen droht den Jungen Grünen am Sonntag eine Niederlage.