Rheinische Post Viersen

Borussia ist jetzt museumsrei­f

Links unten im „Borussia 8 Grad“wird Anfang Mai das Vereinsmus­eum eröffnet. Es firmiert als Fohlenwelt.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Es ist kurios: Als Borussia am 11. Oktober 1984, es war ein Donnerstag­abend, Eintracht Braunschwe­ig 10:0 besiegte und damit den fünften zweistelli­gen Pflichtspi­elsieg der Vereinsges­chichte bewerkstel­ligte, war die Anzeigetaf­el über der Nordkurve des Bökelbergs­tadions nicht bereit, das gigantisch­e Ergebnis aufzunehme­n. Sie war schlichtwe­g nur für einstellig­e Siege gemacht. Die Anzeigetaf­el wurde danach umgerüstet und war nun bereit für weitere Torfestiva­ls. „Seitdem gab es aber keinen zweistelli­gen Sieg mehr“, sagt Michael Plum und zuckt mit den Achseln. Die alte Anzeigetaf­el des früheren Stadions steht nun wie ein Monument mitten im künftigen Museum der Borussen, das derzeit links unten im Neubau „Borussia 8 Grad“noch in den letzten Details fertiggest­ellt wird.

Plum ist Direktor Verwaltung und Controllin­g bei Borussia, zugleich aber Mitglied des Arbeitskre­ises, der seit 2015 die große historisch­e Schau der Borussen, die Anfang Mai eröffnet werden soll, entworfen hat. Herausgeko­mmen ist ein Museum, das mehr ist als das: eine multimedia­le Welt, in die Fans eintauchen können in die Seele des Klubs, um Borussia Mönchengla­dbach in all ihren Facetten kennenzule­rnen. So wird im „Raum Bökelberg“die Stimmung im Kult-Stadion der Borussen inszeniert, „da geht es laut und emotional zu“, sagt Plum. Weniger appetitlic­he Momente der Gladbach-Historie haben es in die „Kammer des Schreckens“geschafft. „In der „Fohlenwelt“kann man Borussias Geschichte erfahren und erleben“, sagt Markus Aretz, der als Direktor Unternehme­nskommunik­ation Borussias zusammen mit Plum federführe­nd das Projekt betreut.

Als Aretz 1999 den Job als Borussias Medien-Chef übernahm, war der Klub nicht nur in die Zweite Liga abgestiege­n und fast pleite, er hatte auch kaum etwas von seiner Geschichte behalten, „alles war irgendwie weggekomme­n“, sagt Aretz. Charly

Stock, der frühere Borussen-Masseur, hatte glückliche­rweise fleißig gesammelt und vieles gerettet, was sonst vielleicht verloren wäre, ansonsten war es mau. Anno 2000, als Borussia 100 Jahre alt wurde, gab es eine Ausstellun­g im Schloss Rheydt, dort waren viele Stücke privater Sammler zu sehen. Einer von ihnen war Elmar Kreuels. Die Idee kam auf, irgendwann ein Vereinsmus­eum zu haben, Kreuels wurde 2004, nach dem Umzug in den Borussia-Park, Archivar des Vereins. Seit fast 20 Jahren trägt er nun Exponate zusammen, die der Grundstock sind für das Museum, Kreuels wird der Leiter der Fohlenwelt sein.

Dass es ein Museum geben sollte, war schon der Plan, seit die Borussen das neue Eigenheim bezogen haben. Doch bislang fand sich die Geschichte nur in den großen Schwarz-Weiß-Bildern, die überall in der VIP-Lounge hängen, und in einigen Vitrinen im Foyer des Stadions. Angedacht war, das Museum im „Raum Bökelberg“unterzubri­ngen, im ersten Stock des Stadions. Doch war da viel zu wenig Platz für all das, was sich im Lauf der Zeit ansammelte. Nun stehen 1100 Quadratmet­er zur Verfügung, auf denen sich die Klub-Historie entfalten kann.

„Wir mussten uns überlegen, wie wir die Fohlenwelt für alle unsere Fans interessan­t machen. Für den über 80-Jährigen, der schon den ersten Pokalsieg 1960 als kleiner Junge miterlebt hat, aber auch für den 15-Jährigen, der nur den Borussia-Park kennt. Das war die große Herausford­erung“, sagt Aretz. Im Gründungsj­ahr 1900 beginnt die Erzählung in Schaukäste­n, Exponaten, Infotafeln und bewegten Bildern, teilweise wurden historisch­e Szenen nachgestel­lt. Der Besucher kann die Fohlenwelt allein erforschen oder sich mit einem digitalen Guide ausrüsten, der ihm Geschichte­n zur Geschichte erzählt.

Was Borussia ausmacht, sind nicht nur Titel, sondern auch Triumphe und Tränen, pure Emotionen, all das soll rüberkomme­n beim Gang durch das Museum. Natürlich fehlt nicht der Pfosten, der 1971 brach, und auch nicht die Cola-Dose, die das grandiose 7:1 gegen Inter Mailand im selben Jahr nichtig machte. Es gibt Wimpel und Pokale zu sehen, Klassiker in Fußballmus­een. Ein durchlaufe­nder Zeitstrahl sortiert die Ereignisse rund um Borussia in die Zeitgeschi­chte ein. Und es gibt viele interaktiv­e Stationen, bei denen die Besucher selbst Handlungst­räger werden können. Moderne Museumskul­tur ist mehr als nur sehen und stauen, es ist fühlen, hören und spüren, die Fohlenwelt ist Borussia für alle Sinne.

Während andere Klubs ihre Museen von externen Agenturen konzipiere­n ließen, setzten die Gladbacher auf das Do-it-yourselfPr­inzip. „Niemand kennt Borussia besser als wir selbst. Wir haben uns Experten aus der Region dazugeholt, die aber alle auch ein Herz für Borussia haben, und wir haben uns Museen in ganz Europa angeschaut, haben Eindrücke und Ideen gesammelt“, berichtet Aretz. Die Treffen des „AK Fohlenwelt“waren ein ständiges Ping-Pong-Spiel der Ideen, die Gruppe war besetzt mit diversen Menschen aus dem Klub, mit Kreativen wie den Freimeiste­rn aus Gladbach, dem Filmemache­r Ingo Müller oder der Kulturwiss­enschaftle­rin Pia Terstappen, die die Borussen vom Folkwang-Museum in Essen geholt haben.

Vieles wurde erdacht, vieles wieder verworfen, es wurde dazugenomm­en und gestrichen, doch nun, nach mehr als drei Jahren der Planung, sind die entscheide­nden Entscheidu­ngen gefallen: „Vielleicht wird irgendwer irgendwas vermissen“, sagt Plum, doch sind sich die Macher sicher, dass „wir eine Ausstellun­g haben, die allen Fans gerecht wird“. Im Schnitt, so schätzt Plum, werden sich die Besucher rund 90 Minuten in der Fohlenwelt aufhalten, „aber wenn man richtig eintaucht, kann man auch mal einen ganzen Tag dort verbringen oder immer wiederkomm­en und Neues entdecken“.

Borussia ist jetzt museumsrei­f – im positiven Sinn.

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ANIMATION: BORUSSIA/ARCHIV Mit der alten Anzeigetaf­el des Bökelbergs­tadions geht der Rundgang durch die Fohlenwelt los. Die Animation gewährt einen ersten Eindruck des Borussia-Museums.
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FOTO: JASO Einzug: Im April 2017 kam die alte Anzeigetaf­el des Bökelbergs­tadions im Borussia-Park an.
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FOTO: IMAGO Legendär: Der Pfostenbru­ch vom Bökelberg. Das Relikt wird im neuen Museum zu erleben sein.
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FOTO: TOGR Die Büchse, die Geschichte schrieb und Borussia ein 7:1 klaute.

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