Theresa May kommt Labour ein bisschen entgegen
LONDON „Lieber Jeremy“, begann Theresa May einen für ihre Verhältnisse freundlichen Brief an den Labour-Chef. Die britische Premierministerin antwortete damit auf eine Offerte des Oppositionsführers Jeremy Corbyn aus der vergangenen Woche. Wenn fünf Bedingungen erfüllt würden, hatte Corbyn angeboten, werde seine Labour-Partei für den Austrittsvertrag stimmen. Theresa May könnte Unterstützung für ihren Brexit-Deal gut gebrauchen, weil ihr der Widerstand von zahlreichen Parteifreunden in ihrer eigenen Regierungsfraktion entgegenschlägt.
Mit ihrem Brief deutete die Premierministerin einen weicheren Brexit an, als ihn sich viele Konservative wünschen würden. Bei einer zentralen Bedingung Corbyns zeigte sich May allerdings reserviert. Labour will eine „permanente und umfassende Zollunion“mit der EU. May antwortete, dass sie eine Verhandlungslinie habe, die die Vorteile einer Zollunion verfolgt, aber gleichzeitig eine unabhängige Handelspolitik mit Drittstaaten anstrebt.
Bei anderen Forderungen gab sich May jedoch entgegenkommend. Man werde bei Arbeitnehmerrechten und Umweltstandards keine Abstriche machen, versicherte sie Corbyn, wolle bei vielen EU-Programmen weiter teilnehmen und auch weiterhin eine enge Sicherheitspartnerschaft verfolgen. „Unsere Teams“, schrieb die Premierministerin, „sollten sich sobald wie möglich treffen.“
Es ist nicht zu erwarten, dass Corbyn jetzt seine Truppen anweisen wird, für Mays Deal zu stimmen. Aber der konziliante Ton des Briefes und das inhaltliche Entgegenkommen bei einigen Sachfragen werden ihren Zweck nicht verfehlen. Und der ist doppelt. Rebellen gibt es auch bei Labour und die können jetzt mit Mays Angeboten – darunter auch ganz unverschämt Subventionen für Labour-Industriebrachen im Norden – politische Deckung finden, wenn sie Mays Deal unterstützen. Zugleich sollen die Brexit-Hardliner in Mays Fraktion aufgeschreckt werden. Wenn sie ihren Widerstand zu weit treiben, bedeutet ihnen die Premierministerin, riskieren sie einen viel weicheren Brexit mit Labour-Stimmen.
Dass May auf die Forderung einer „permanenten und umfassenden Zollunion“eingehen würde, war von vornherein nicht zu erwarten gewesen. Das hätte zu sofortigen Rücktritten von Regierungsmitgliedern und möglicherweise zu einer Spaltung der Konservativen Partei geführt. Aber die Premierministerin hat in ihrem Brief die Möglichkeit einer Zollunion auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Tatsächlich haben sich beide bewegt, Corbyn wie May. Damit wäre ein Deal, bei dem Labour mitgestaltet, im Prinzip möglich. Wenn sich kein anderer finden lässt und das Land auf einen Klippen-Brexit zusteuert, würde der Deal wahrscheinlicher.
May pokert und spielt auf Zeit. Am Donnerstag wird das Unterhaus wieder über den Brexit debattieren und die Möglichkeit haben, durch Anträge die Regierung zu einem bestimmten Kurs zu verpflichten. Am 27. Februar soll es allerdings noch eine weitere Abstimmung geben.