Rheinische Post Viersen

Unterhalt kommt Städte teuer zu stehen

Wenn ein Elternteil keinen Unterhalt fürs Kind zahlen kann, springt der Staat ein. Bis 2017 galt dies nur für Kinder bis zum zwölften, inzwischen bis zum 18. Lebensjahr. Gestiegene Kosten und neues Personal sind die Folge für die Kommunen.

- VON SEBASTIAN ESCH, MARTIN RÖSE UND EMILY SENF SYMBOLFOTO: UTE GRABOWSKY

GRENZLAND Keiner will es, doch wenn sich zwei verheirate­te Menschen mit Kind trennen, dann geht es ganz schnell um das Thema Unterhalt. Der Sohn oder die Tochter bleiben bei dem einen Elternteil, der andere muss zahlen, sich also an den Kosten für das Kind oder die Kinder beteiligen. Das klappt allerdings nicht immer.

Sollte der zahlende Elternteil aus verschiede­nen Gründen nicht die finanziell­en Möglichkei­ten haben, dem ehemaligen Partner für das gemeinsame Kind Unterhalt zukommen zu lassen, springt die Stadt ein und geht in Vorkasse – wenn ein dementspre­chender Antrag auf Unterhalts­zuschuss gestellt wird. Später holt sie sich das Geld beim säumigen Elternteil wieder. Je nach Alter des Kindes liegt der Unterhalts­vorschuss zwischen 154 und 273 Euro monatlich (siehe Info-Kasten). Zuständig für diesen Antrag ist immer das örtliche Jugendamt. Der Bund beteiligt sich mit 40 Prozent an den entstehend­en Kosten, je 30 Prozent tragen die jeweilige Stadt und das Land.

Beim Gesetz zum Unterhalts­vorschuss gab es allerdings zum 1. Juli 2017 eine Änderung. Damit wurde der Personenkr­eis, der von Unterhalt bedacht werden soll, deutlich ausgeweite­t. Bis dahin galt: Kinder, für die ein Elternteil keinen Unterhalt zahlt, erhielten den Unterhalts­vorschuss nur bis zum zwölften Lebensjahr. Zudem galt eine maximale Bezugsdaue­r von sechs Jahren.

Durch den Beschluss aus 2017 sind Kinder nun bis zum 18. Lebensjahr unterhalts­vorschussb­erechtigt. Außerdem fällt die Limitierun­g der Bezugsdaue­r weg. Regeln gibt es aber weiterhin. Der Anspruch für Kinder zwischen zwölf und 18 Jahren wird nur wirksam, wenn das Kind nicht auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen ist oder der alleinerzi­ehende Elternteil im Hartz-IV-Bezug ein Einkommen von mindestens 600 Euro erzielt. Viele Alleinerzi­ehende beziehen Hartz-IV und müssen den Unterhalts­vorschuss damit verrechnen. Mit den neuen Regelungen soll auch ein Anreiz geschaffen werden, aus den Sozialleis­tungen herauszuko­mmen.

Diese Gesetzesän­derung aus dem Juli 2017 geht natürlich nicht spurlos an den Kommunen vorbei, die schließlic­h den Unterhalt zunächst vorschiess­en müssen. Sie bedeutet zwangsläuf­ig einen Anstieg der Anträge und einen Anstieg der Vorschussk­osten.

Wie die Stadt Viersen auf Anfrage unserer Redaktion erklärte, zahlte sie 2016 knapp 1,2 Millionen Euro an Unterhalts­vorschuss. 2018, nach Änderung des Gesetzes, war es mehr als doppelt so viel (etwa 2,9 Millionen Euro). In diesen Ausgaben waren allerdings auch noch Leistungsa­nsprüche zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 2017 enthalten.

Ähnliches macht sich auch in den Nachbarkom­munen bemerkbar. Die Stadt Nettetal macht zwar keine Angaben zur Höhe des ausgezahlt­en Vorschusse­s, dafür geben aber die Fallzahlen einen Einblick in den Aufwand der Verwaltung. Beschäftig­te sie sich 2016 noch mit etwa 230 Fällen, waren es 2018 ebenfalls mehr als doppelt so viele (rund 490). Gleiches gelte auch für die Ausgaben, teilt eine Sprecherin der Stadt Nettetal mit.

Die Gemeinden Brüggen, Niederkrüc­hten und Schwalmtal fallen, da sie kein eigenes Jugendamt haben, in die Zuständigk­eit des Kreises Viersen. Die Kreisverwa­ltung führt allerdings keine separaten Zahlen für diese Kommunen. So ist nur ein Anstieg der gesamten Fallzahlen für

die drei Gemeinden mit Tönisvorst und Grefrath erkennbar – der jedoch deutlich. Vor der Gesetzesän­derung schwankten die Zahlen für alle fünf Kommunen unter 340 Fälle pro Monat. Seit dem 1. Juli 2017 sind es ebenfalls mehr als doppelt so viele (750 Fälle). Und man rechne mit einem weiteren Fallanstie­g, teilt der Kreis mit.

Die gestiegene­n Unterhalts­vorschuss-Anfragen haben noch einen weiteren Nebeneffek­t: Die Kommunen brauchen mehr Personal. So hat die Stadt Nettetal etwa die Mitarbeite­r im Bereich Unterhalts­vorschuss von zwei auf vier Vollzeitst­ellen verdoppelt. Die Stadt Viersen hat in der Leistungsg­ewährung 2,5 neue Stellen eingericht­et, in der Unterhalts­heranziehu­ng 0,5.

Auch der Kreis Viersen musste für die fünf Gemeinden Niederkrüc­hten, Brüggen, Schwalmtal, Tönisvorst und Grefrath zusätzlich­es Personal einstellen. „Um die Anträge auf Zahlung in einer akzeptable­n Zeitdauer zu bearbeiten, wurde die Anzahl der Mitarbeite­r verdoppelt“, sagte eine Sprecherin des Kreises Viersen. Zehn Mitarbeite­r würden sich aktuell um diesen Bereich kümmern.

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Die Antragszah­len auf Unterhalts­vorschüsse haben sich im Kreis Viersen seit der Gesetzesän­derung im Juli 2017 mehr als verdoppelt. Gleiches gilt für eingestell­tes Personal der Kommunen.

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