Pflegedienste schlagen Alarm
Ambulante Dienste erteilen in NRW mangels Personal 9000 Absagen pro Monat.
DÜSSELDORF Der Pflegenotstand in NRW spitzt sich zu. 2018 fehlten in NRW rund 10.000 Pflegekräfte – 4300 davon in der Altenpflege. Da gerade in dieser Branche viele Berufstätige nur Teilzeit arbeiten, müssten 14.000 Fachkräfte auf einen Schlag eingestellt werden, nur um die aktuelle Lücke zu schließen – aber dieses Angebot gibt der Markt bei Weitem nicht her.
Und selbst wenn, würde auch das auf Dauer nicht reichen, wie Experten am Mittwoch bei einer Anhörung im Landtag vorgerechnet haben. Denn die Zahl der aktuell rund 650.000 Pflegebedürftigen in NRW wird bis 2035 nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft auf 900.000 steigen.
Der Verband der Freien Wohlfahrtspflege, der mit Mitgliedern wie Awo, Caritas, Rotem Kreuz und Diakonie in NRW etwa 60 Prozent der ambulant Pflegebedürftigen betreut, stellte eine aktuelle Umfrage vor. Demnach müssen allein die ambulanten Pflegedienste in NRW mangels Personal pro Monat 9000 Bedürftigen absagen.
Obwohl examinierte Pfleger vergleichsweise wenig verdienen, ist die Bezahlung nicht der wesentliche Grund für den Mangel. Bei der Anhörung wurde auch deutlich, dass die Pfleger vor allem unter ihren Arbeitsbedingungen leiden. Viele steigen schon kurz nach der Ausbildung wieder aus dem Beruf aus. „Mehr Kollegen, mehr Zeit, mehr Anerkennung – das ist die einfache Formel“, erklärte der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung in seiner Stellungnahme. Stellenangebote für examinierte Altenpflegefachkräfte sind im Bundesdurchschnitt 167 Tage unbesetzt, das ist ein Plus von 67 Prozent gegenüber dem Durchschnitt aller Berufe. Laut Landes-Senionrenvertretung ist die Pflegesituation für die Pflegenden „so unterträglich, dass 70 Prozent der Pfleger nur Teilzeit arbeiten“.
Noch ein Problem wächst heran: Rund 70 Prozent der Pflegebedürftigen werden daheim versorgt – die Hälfte davon allein von Angehörigen, überwiegend von Frauen. Die Fachwelt geht davon aus, dass diese Bereitschaft sinkt, weil sie ein Familienmuster voraussetzt, das sich vom Regelfall zur Ausnahme entwickelt. Mehr Geld, mehr Ausbildungskapazitäten, mehr Anerkennung und mehr Durchlässigkeit bei der Anerkennung ausländischer Ausbildungen – das sind die wesentlichen Lösungsansätze. Wer genau was wann umsetzen soll, blieb bei der Anhörung aber weitgehend offen.