Rheinische Post Viersen

Fall Luca erneut vor Gericht

Die 5. große Strafkamme­r soll neu über die Strafe für Martin S. entscheide­n. Zum Auftakt sagte die Mutter des getöteten Jungen als Zeugin aus.

- VON NADINE FISCHER RP-FOTO: FISCHER

DÜLKEN/MÖNCHENGLA­DBACH Martin S. hat nun wieder auf der Anklageban­k in Saal 100 des Landgerich­ts Mönchengla­dbach Platz genommen – ein Jahr und acht Monate nach seiner Verurteilu­ng wegen der Tötung des kleinen Luca aus Dülken. Die 5. große Strafkamme­r unter Vorsitz des Richters Helmut Hinz soll neu über die Höhe seiner Strafe entscheide­n: Bleibt es bei lebensläng­lich oder nicht?

Am 13. Juni 2017 war Martin S. wegen Körperverl­etzung, schwerer Körperverl­etzung und Totschlags verurteilt worden. Die 7. große Strafkamme­r des Landgerich­ts sah es als erwiesen an, dass er im Oktober 2016 den fünf Jahre alten Luca in dessen Kinderzimm­er getötet hat. Er habe den Jungen zuvor „grausam misshandel­t“, sagte damals der Vorsitzend­e Richter. Zwar sei kein Mordmerkma­l erfüllt, in besonders schweren Fällen sei dennoch eine lebenslang­e Strafe für Totschlag anwendbar, begründete der Richter das Urteil. Auf die Revision des Angeklagte­n hob der Bundesgeri­chtshof im August 2018 das Urteil im Ausspruch der verhängten lebenslang­en Strafe auf und verwies es zur erneuten Verhandlun­g an das Landgerich­t Mönchengla­dbach zurück. Das Urteil wegen Totschlags bleibt rechtskräf­tig, die Kammer muss allein über die Höhe der Strafe neu entscheide­n.

„Wir beginnen mit dem zweiten Anlauf“, sagte Richter Hinz zum Auftakt am Mittwochmo­rgen – insgesamt sind vier Verhandlun­gstage angesetzt. Am ersten Tag wurde die Mutter des getöteten Luca und damalige Lebensgefä­hrtin von Martin S. als Zeugin gehört. Sie war zur Tatzeit auch in der gemeinsame­n Wohnung in Dülken, auch sie war im Juni 2017 verurteilt worden: zu zwei Jahren und acht Monaten Freiheitss­trafe wegen Misshandlu­ng von Schutzbefo­hlenen durch Unterlassu­ng. Sie sitzt ihre Strafe derzeit in der Justizvoll­zugsanstal­t Willich ab.

Auf viele Fragen des Richters, der Anwälte und des Gutachters zur Sache antwortete die 26-Jährige nur vage. „Ich weiß es nicht mehr so genau“, sagte sie oft, „ich muss ehrlich zugeben, dass ich viel verdrängt habe“. Sie wolle mit Martin S. endlich abschließe­n. Luca habe ihm gegenüber „schon so eine Anti-Haltung“gehabt, sagte die Mutter. „Er mochte ihn nicht wirklich als Vater.“Der damalige Lebensgefä­hrte sei stark eifersücht­ig auf den Jungen gewesen, auch auf dessen leiblichen Vater. In ihrem Beisein habe Martin S. Luca nie geschlagen. „Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen, dass der so was mit meinem Sohn macht.“Er habe zwei Gesichter gezeigt, sei mal streng, dann wieder lieb zu dem Jungen gewesen – und er sei auch häufiger mal traurig gewesen, habe Verlustäng­ste gehabt.

Ein Gutachter berichtete am Mittwoch, dass Martin S. im Juni 2015 auf eigenen Wunsch eine knappe Woche in einer Psychiatri­e verbracht habe. „Gegen den ärztlichen Rat“habe er die Klinik wieder verlassen. Unter anderem sei damals eine schwere depressive Episode bei ihm diagnostiz­iert worden. In einem der Gespräche mit dem Gutachter hatte Martin S. später angegeben, nach dem Klinik-Aufenthalt nicht mehr psychisch beeinträch­tigt gewesen zu sein.

Der Gutachter betonte: „Die depressive Störung hat in Bezug auf die Tat keinerlei Auswirkung.“Denn „Depressive schrecken eher vor solchen Taten zurück, weil sie verstärkt unter Schuldgefü­hlen leiden“, erläuterte er. Seiner Einschätzu­ng nach war die Tat sadistisch motiviert, es ging Martin S. demnach darum, Luca Leiden zuzufügen. Die Pflichtver­teidigerin des 28-Jährigen hakte mehrfach nach, wollte wissen, ob der Gutachter wirklich ausschließ­en könne, dass Martin S. zur Tatzeit depressiv war. „Nein“, antwortete der Gutachter. Er schließe aber aus, dass eine Depression das Tatmotiv ist.

Die Verhandlun­g wird am 19. und am 21. Februar fortgesetz­t. Am 26. Februar soll die Strafkamme­r zu einer Entscheidu­ng kommen.

„Die depressive Störung hat in Bezug auf die Tat keinerlei Auswirkung“Gutachter

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Der Vorsitzend­e Richter Helmut Hinz (Mitte) eröffnete am Mittwochmo­rgen am Landgerich­t Mönchengla­dbach die Verhandlun­g.

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