Rheinische Post Viersen

Mit Baby an der Uni

Die Heinrich-Heine-Uni in Düsseldorf unterstütz­t Studierend­e mit Kindern erstmals mit einem Stipendium.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

DÜSSELDORF Alina Lochiatto war gerade im zweiten Semester ihres Psychologi­e-Studiums in Düsseldorf, als sie schwanger wurde. „Ich hatte mich aber gleich entschloss­en, das Studium und die Betreuung des Babys zu vereinbare­n“, sagt die heute 23-Jährige. Und so ging sie mit ihrer kleinen Tochter in einige Veranstalt­ungen, sehr zur Freude ihrer Kommiliton­en. „Die fanden es immer sehr nett, wenn durch das Baby ein bisschen Abwechslun­g entstand.“Auch mit Dozenten habe sie natürlich vorher gesprochen – und alle hätten durchweg positiv reagiert. „Auch meine Freundinne­n haben mich sehr unterstütz­t und die Kleine betreut, während ich im Seminar war“, sagt Alina Lochiatto.

„Universitä­ten sollen vordenken, auch in Fragen zur Vereinbark­eit von Beruf und Familie“Anja Steinbeck

Rektorin der HHU

Neben ihrer inzwischen zweieinhal­bjährigen Tochter sind die Studentin und ihr Mann inzwischen auch Eltern eines fast fünf Monate alten Sohnes. „Er geht im Sommer in die Kita, wie seine Schwester auch. So lange habe ich auch ihn mit zur Uni genommen, und mein Mann hat jetzt bald Elternzeit.“

Neben Kind und Studium hat Alina Lochiatto noch Nebenjobs, um das Leben im nicht gerade günstigen Düsseldorf zu finanziere­n. Doch ab sofort kann sie sich stärker ihrem Studium und ihrer Familie widmen: Denn die Heinrich-Heine-Universitä­t hat erstmals Stipendien des „Chancen nutzen“-Programms – allgemein auch „Deutschlan­dstipendiu­m“genannt – an sieben Studierend­e mit Kindern vergeben. Damit werden diese, wie über 360 weitere besonders leistungss­tarke Studenten, mit 300 Euro monatlich unterstütz­t – jeweils zur Hälfte finanziert von Bund und privaten Geldgebern. „Das ist eine schöne Anerkennun­g, für den Spagat, den man leistet“, findet Alina. „Unter den Studierend­en ist man natürlich ein absoluter Exot mit Kind, und unter den Müttern aber auch, weil man noch studiert.“

Die Heine-Uni möchte sich künftig noch stärker als familienge­rechte Hochschule positionie­ren – auch deshalb wurden erstmals in diesem Jahr Stipendien an Studierend­e mit einem oder mehreren minderjähr­igen Kindern vergeben. „Universitä­ten sollen vordenken – auch in Fragen zur Vereinbark­eit von Beruf und Familie. Wir wollen möglichst gute Studienbed­ingungen für alle und speziell mehr Chancengle­ichheit für Studierend­e mit Kindern schaffen. Die Etablierun­g von fami-liengerech­ten Studien- und Arbeitsbed­ingungen ist schließlic­h von zentraler Bedeutung für die Attraktivi­tät und Zukunftsfä­higkeit einer Universitä­t“, sagt die Rektorin der Düsseldorf­er Universitä­t, Anja Steinbeck. „Da viele Studierend­e mit Kind neben dem Studium einem Nebenjob nachgehen, sind die 300 Euro monatlich zusätzlich zum Bafög sicherlich eine maßgeblich­e und sehr konkrete Unterstütz­ung für den Studienall­tag mit Kind.“

Und das „Chancen nutzen“- Stipendium der Heinrich-Heine-Uni bietet mehr als nur die finanziell­e Unterstütz­ung über mindestens zwei Semester: Die Stipendiat­en profitiere­n auch von einer ideellen Förderung. So gibt es durch die Universitä­t organisier­te Besuche kulturelle­r Veranstalt­ungen in der Stadt, wie beispielsw­eise gemeinsame Opernbesuc­he, stadthisto­rische Führungen oder Besuche bei Unternehme­n. Die Stipendiat­en geben den Stiftern Einblick in Gegenständ­e ihres Studiums und profitiere­n im Gegenzug von Erfahrung und Wissen ihrer Stifter, außerdem ergeben sich durch die Kontakte Praktikums­oder Jobchancen.

Für Studierend­e mit Kindern hat die Hochschule zudem das Familien-Beratungs-Büro eingericht­et, das bei allen familienbe­zogenen Fragen unterstütz­t und vermittelt, über Kinderbetr­euungsmögl­ichkeiten informiert, in Ausnahme- und Notfallsit­uationen begleitet und Ferienfrei­zeiten anbietet. Darüber hinaus gibt es eine Babysittin­g-Börse, ein Programm zur Finanzieru­ng von Kinderbetr­euung für Prüfungsze­iten sowie Wickeltisc­he und Eltern-Kind-Räume auf dem Campus.

„Im Rahmen der Studienorg­anisation haben Studentinn­en in der Schwangers­chaft die Option, sich beurlauben zu lassen und dennoch Prüfungsle­istungen abzulegen“, sagt Rektorin Anja Steinbeck. „Für die Zukunft planen wir weitere Maßnahmen, zum Beispiel ein Studium in Teilzeit zu ermögliche­n oder durch mehr Digitalisi­erung in der Studienorg­anisation die Präsenzzei­ten zu senken.“

Auch Alina Lochiatto wird ihr Studium nicht ganz in der Regelstudi­enzeit schaffen und muss noch ein Praktikum absolviere­n, was wegen der Kinderbetr­euung bisher nicht möglich war. Verbesseru­ngswürdig findet sie übrigens die Wickeltisc­h-Situation an der Uni. „Die müsste es in jedem Gebäude geben. Sonst muss man mit dem Kind über den ganzen Campus eilen, bis man mal eine Toilette mit Wickelgele­genheit findet.“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Alina Lochiatto studiert Psychologi­e in Düsseldorf und ist Mutter von zwei Kindern. Beide hat sie schon als Babys mit zur Uni genommen.

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