Nationaler Notstand aus Trotz
Der nationale Notstand ist Trumps letzte Waffe im Kampf um den Mauer-Streit an der Grenze zu Mexiko. Es ist das Wahlversprechen, mit dem er die Präsidentschaftswahl 2016 gewann. Doch jetzt könnte er daran scheitern.
Donald Trump redet im Rosengarten des Weißen Hauses. Im Kern sagt er dasselbe, was er bereits nach Neujahr gesagt hat, in einer Fernsehansprache zur besten Sendezeit. Wie schon damals zeichnet er die Lage an der Grenze zu Mexiko in düsteren Farben. „Wir reden von einer Invasion“, sagt er. „Wir reden von Drogen, Menschenschmugglern, allen möglichen Kriminellen und Banden.“Dann ruft er den nationalen Notstand aus.
Es ist ein extremer Schritt, aber auch der Versuch, eine Niederlage im Ringen mit seinen parlamentarischen Widersachern zu kaschieren. Trump hat ein Pokerspiel verloren. Beim Thema Mauer haben ihm die Demokraten, die nunmehr im Abgeordnetenhaus den Ton angeben, die Grenzen seiner Macht aufgezeigt. Dass er den Kürzeren zog, zeigen die Konturen eines Kompromisses, auf den sich Vertreter beider Parteien im Kongress einigten, um die Regierungsarbeit bis September zu finanzieren und einen drohenden Shutdown abzuwenden – den zweiten innerhalb von zwei Monaten. Demnach wird die Legislative nur 1,4 Milliarden Dollar für den Bau von Sperranlagen an der mexikanischen Grenze bewilligen. Das ist deutlich weniger als die 5,7 Milliarden, die der Präsident im Dezember gefordert hatte. Damals wollte er seine Gegenspieler zum Einlenken zwingen, indem er einen Shutdown provozierte, die Lähmung wichtiger Ministerien und Behörden, die 800.000 Staatsbedienstete 35 Tage lang um ihren Lohn brachte. Nach drei Wochen zäher Verhandlungen steht er in der entscheidenden Frage mit leeren Händen da.
Von einer Betonmauer ist in dem Haushaltspaket keine Rede mehr, lediglich von physischen Barrieren. Auf knapp 90 Kilometern Länge sollen neue, stabilere Zäune errichtet werden, hauptsächlich im Tal des Rio Grande in Texas. In dem Punkt hat sich die Opposition eindeutig durchgesetzt, zumal die fürs Zäune-Aufstellen geplante Summe nur marginal über dem Betrag liegt, den sie Trump zu Beginn des Tauziehens zugestehen wollte. Das Personal der Border Patrol soll um 1200 Beamte aufgestockt werden. An den Grenzübergangsstellen, wo Drogenschmuggler das Gros ihrer Ware getarnt in Lastwagen und Pkws ins Land bringen, soll die Durchleuchtungstechnik verbessert werden. Neue Flugzeuge werden angeschafft und Radargeräte installiert, um das Terrain zu überwachen. Trump, so berichtet die „Washington Post“, soll am Donnerstag – als der Deal bereits in Sack und Tüten war – gedroht haben, die Unterschrift zu verweigern. Dreimal, schreibt die Zeitung, habe ihn Mitch McConnell, die Nummer eins der Republikaner im Senat, an dem Tag anrufen müssen, um ihm eine Trotzreaktion auszureden. Trump, so soll der Senator suggeriert haben, habe den Streit mit den Demokraten in Wahrheit gewonnen, was immer die Kommentatoren behaupten. Einen Präsidenten zu beschwichtigen, der es nicht ertragen kann, keine Siege zu verkünden – darum ging es offenbar bei den Telefonaten.
Auch deshalb ruft Trump den Notstand aus; um am Ende doch noch als Sieger dazustehen. Er fährt damit einen Umweg, die Mauer auch ohne Zustimmung des Parlaments bauen zu können. Nur stehen seine dramatischen Worte im Widerspruch zur Realität. „Es gibt keinen Notstand. Die Panikmache des Präsidenten bedeutet noch lange nicht, dass wir es mit einem Notstand zu tun haben“, protestiert Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Repräsentantenhauses. Trump wolle nur davon ablenken, das Kernversprechen seines Wahlkampfes gebrochen zu haben. Das Versprechen, dass Mexiko für den Mauerbau zahle. Man werde den Notstand umgehend anfechten, kündigt Jerrold Nadler an, ein Parteifreund Pelosis, der den Justizausschuss der Abgeordnetenkammer leitet. „Dieser krasse Machtmissbrauch kann nicht toleriert werden.“
Im politischen System der USA entscheidet allein die Legislative über Staatsausgaben. Der Chef der Exekutive kann versuchen, sie von Fall zu Fall zu überzeugen. Er kann darum bitten, Etatposten aus zwingendem Grund umzuschichten. Er kann werben, Druck ausüben, Konsequenzen ausmalen. Lässt ihn der Kongress abblitzen, bleibt ihm jedoch nach den Regeln der Gewaltenteilung nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden. Dass Trump den Notstand ausruft, um bewährte Kontrollmechanismen auszuhebeln, lässt eine Nancy Pelosi auf die Barrikaden gehen. Der Kongress, betont sie, werde verteidigen, was ihm die Verfassung an Befugnissen zuteile. Ob die Demokraten juristische Schritte folgen lassen – und wenn ja, welche – bleibt vorläufig offen. Eine Klagewelle dürfte aber auf die Regierung zurollen. Landbesitzer in Texas könnten materiellen Schaden geltend machen. Zieht Trump Mittel aus dem Militäretat ab, um sie für die Mauer zu verwenden, könnten sich Kommunen zur Wehr setzen, die bereits geplante Vorhaben zurückstellen müssten.
Was genau unter einem nationalen Notstand zu verstehen ist, lässt die Gesetzgebung des US-Bundes im Vagen. Der Erste, der formal einen proklamierte, war Woodrow Wilson: 1917, zu Kriegszeiten, begrenzte er die Zahl amerikanischer Schiffe, die an Ausländer verkauft werden durften. Im Zuge des Watergate-Skandals in den 70ern, der Richard Nixon das Amt kostete, verabschiedete das Parlament den National Emergencies Act. Eine Novelle, die klarer definiert, wie groß der Spielraum des Weißen Hauses ist und wo er endet. Demnach liegt es in der Macht des Kongresses, eine vom Präsidenten erklärte Ausnahmesituation zu beenden, wenn beide Kammern dafür stimmen und der Staatschef kein Veto einlegt. Zudem ist ein Notstand nach 180 Tagen automatisch beendet, falls der Präsident ihn vor Ablauf der Frist nicht verlängert.
„Die Panikmache des Präsidenten bedeutet noch lange nicht, dass wir es mit einem Notstand zu tun haben“Nancy Pelosi
Vorsitzende des Repräsentantenhauses