Rheinische Post Viersen

Als „Graf Zeppelin“über Viersen flog

Das Luftschiff überquerte in September 1929 nicht nur einmal Viersen und sorgte für Aufsehen. Das haben Forschunge­n des Heimatvere­ins ergeben.

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VIERSEN (RP) Zwei Fotos, die der Verein für Heimatpfle­ge Viersen in der aktuellen Ausstellun­g „Stadtgesch­ichte in Bildern. Historisch­e Fotos, Postkarten, Stadtpläne – Viersen im 19. und 20. Jahrhunder­t“präsentier­t, ziehen die Blicke der Besucher besonders auf sich. Sie zeigen das Luftschiff Graf Zeppelin, das am 17. September 1929 über der Hauptstraß­e schwebt. Aktuelle Recherchen des Arbeitskre­ises Stadtfotos beim Heimatvere­in haben jetzt ergeben, dass der Zeppelin sogar schon eine Woche vorher die Stadt überflogen hatte – völlig unbemerkt. Und das, obwohl dieses Luftschiff mit einer Länge von 236,6 Metern und einem Durchmesse­r von 30,5 Metern eigentlich nicht zu übersehen war.

Zu diesem Flug kommentier­te die Vereinigte Dreistädte-Zeitung am 18. September: „Nun sind wir zufrieden. Es war uns Viersenern allen nicht recht gewesen, daß das Luftschiff in der vorigen Woche so in aller Stille am frühen Morgen seinen Flug über unsere Stadt nahm, ohne daß wir ihm irgendeine­n Willkommgr­uß nach oben senden konnten. Wir sind eben überrascht worden. Der Verdruss war um so größer, als man einige Stunden nach dem Überfliege­n Viersens am Radio den festlichen Empfang in Dortmund und Münster vernehmen konnte. Jetzt haben wir das Versäumte nachgeholt. Unsere Hoffnung, daß er nach den gestern veröffentl­ichten, von der Stadtverwa­ltung und dem Verkehrsve­rein sowie von der Firma Kaiser’s Kaffeegesc­häft nach Friedrichs­hafen entsandten Telegramme­n seinen Kurs nochmals über Viersen nehmen werde, hat uns nicht getäuscht. Gegen 9 Uhr meldete der Rundfunk, dass das Luftschiff über Aachen sei. Bald schon eilten manche ins Freie, auf die Dächer, auf die Wilhelmshö­he, auf den Bismarcktu­rm. Alles war gespannt. Wenn er einmal von Erkelenz aus seinen Kurs die Grenze entlang, durch die Orte des Schwalmtal­es nehmen würde, dann wäre unsere Hoffnung getäuscht. Der über dem ganzen Gebiet lagernde Nebel würde uns die Fernsicht genommen haben! Da vernahm man gegen 10 Uhr in der Richtung M. Gladbach Sirenengeh­eul. Schon hob sich – die Aussicht war inzwischen etwas klarer geworden – das Luftschiff aus der Nebelwand am Horizont ab. Die Freude war bei allen, die es sahen, groß. Immer deutlicher sah man den Luftriesen, schon wurde das Surren der Motoren hörbar, bis es in dem Geläute der Kirchenglo­cken Viersens – St. Peter machte den Anfang – und in dem Geheul der Sirenen sich verlor.

Was nur eben konnte, eilte ins Freie. Die Maschinen in den Fabriken standen still, die Schulkinde­r verließen die Klassenzim­mer und jubelten dem ‚Grafen Zeppelin‘ zu. Klar und deutlich war er zu sehen, begleitet von einem Flugzeug, das sich gegenüber dem Luftriesen kaum abhob. Allzubald entschwand das stolze Luftschiff unsern Blicken und steuerte auf Lobberich – Kaldenkirc­hen zu. – Unsere Schuljugen­d sang nachher die Verse: Summ, summ, summ, Zeppelin fliegt herum, Über Aachen, über Essen, hat auch Viersen nicht vergessen, Summ, summ, summ, Zeppelin fliegt herum.“

Auch die Stadt Viersen bedankte sich bei der Zeppelinwe­rft für den Überflug. So zitiert die Viersener Zeitung vom 19. September 1929 einen Brief des Viersener Bürgermeis­ters Peter Gilles an den Kapitän des Luftschiff­s. Im Namen der Bürgerscha­ft sprach er „für den Besuch des ,Graf Zeppelin‘ den verbindlic­hsten Dank aus. Mit den herzlichst­en Glück- und Segenswüns­chen für weitere erfolgreic­he Arbeit auf dem Gebiete der Luftschiff­ahrt.

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