Rheinische Post Viersen

Gesundheit­szentren gegen Hausärztem­angel

Der Brüggener Arzt Johann Heinrich Arens sieht die medizinisc­he Grundverso­rgung im Grenzland bedroht — denn Hausärzte seien zu alt, der Nachwuchs fehle. Seine Lösung besteht für ihn aus drei Bausteinen.

- VON SEBASTIAN ESCH RP-FOTO: JÖRG KNAPPE

GRENZLAND Die Region leidet unter einem erhebliche­n Ärztemange­l. Das sagt der Brüggener Mediziner Johann Heinrich Arens vom Hausarztze­ntrum Brüggen. „Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Ärzte sinkt immer weiter“, sagt er. Alleine im kommenden Jahr sollen laut Arens weitere acht Ärzte im Grenzland wegfallen. Das Kernproble­m sei die Überalteru­ng der Hausärzte: „In Schwalmtal sind beispielsw­eise von neun Ärzten nur drei unter 60 Jahren“, sagt er. Deshalb werden im kommenden Jahr im Westkreis Viersen – Brüggen, Schwalmtal, Niederkrüc­hten, Nettetal und Viersen – 18 Ärzte fehlen, so der Mediziner. Die medizinisc­he Grundverso­rgung, „die ein Mensch per Gesetz verdient“, sei in Gefahr, aber niemand wolle diese Versorgung übernehmen.

Seit einiger Zeit kämpft Arens bereits gegen diese Situation an. Jüngst durch die Gründung eines medizinisc­hen Versorgung­szentrums (MVZ) in Waldniel, das unter seiner Federführu­ng aufgebaut wurde. Im MVZ sollen medizinisc­he und nicht-medizinisc­he Kräfte sowie Mitarbeite­r sozialer Dienste gemeinscha­ftlich die Bedürfniss­e der Patienten in den Blick nehmen – über die Krankheit hinaus.

Das MVZ soll aber mehr sein, als einfach nur ein Zusammensc­hluss von Ärzten. Es soll sich zum Gesundheit­szentrum entwickeln, das „eine umfassende Grundverso­rgung der Bevölkerun­g in der Region gewährleis­tet und eine bessere Versorgung chronisch kranker Menschen aus einer Hand ermöglicht“. Das sind die Anforderun­gen, die die Robert-Bosch-Stiftung an Initiative­n stellt, die „patienteno­rientierte­s Zentrum zur Primärund Langzeitve­rsorgung“(PORT) werden wollen. Den Weg dorthin unterstütz­t die Stiftung mit ihrem Förderprog­ramm „supPort“. Bundesweit wurden dafür acht Initiative­n ausgewählt – unter anderem das Hausarztze­ntrum in Brüggen gehörte dazu. In diesen Institutio­nen sieht Arens eine der drei Säulen, „um dem Ärztedefiz­it in der Region entgegenzu­treten“. Für Häusärzte sei so ein Zentrum im Grunde eine gute Sache. „Viele Ärzte möchten nämlich gar keine eigene Praxis mehr“, sagt Arens.

Denn dort würde meist bis zu 50 Stunden die Woche gearbeitet. Wenn die Ärzte angestellt seien, könnten sie sich die Arbeitszei­ten flexibler gestalten – was besonders für Eltern attraktiv sei. Doch bislang sehe es nicht gut aus. „Im Kreis

Viersen gibt es keine Krankenhäu­ser oder Kommunen, die an der Gründungs eines hausärztli­chen medizinisc­hen Versorgung­szentrums interessie­rt sind“, sagt Arens. „In Waldniel gab es mehrere Versuche zu einer gemeinsame­n Lösung zu kommen, die aber nicht in einem Konzept gemündet sind.“

Als Hauptprobl­em für die Überalteru­ng sieht er die Aufteilung der Gemeinden und Städte des Kreises Viersen in Mittelbere­iche. „Ärzte dürfen nur in ihrem eigenen Mittelbere­ich tätig werden. Wenn man einmal in einem Bereich ist, kann man nicht einfach hin und her wechseln“, so Arens. So fehle die Flexibilit­ät. Er nennt ein Beispiel: „Ein Ultraschal­lgerät in Brüggen muss wie der Arzt, der es benutzt, im Vorfeld gemeldet sein. Ist dieser Arzt aber am Tag krank, dürfte ein Ersatzmann aus Schwalmtal keinen Ultraschal­l durchführe­n.“

Gleiches gelte, wenn in Schwalmtal ein Arzt ausfalle. Dann könne Arens nicht jemanden aus Brüggen als Ersatz abstellen. „Dann müsste ich den theoretisc­h illegal einsetzen“, sagt der Mediziner und lacht. Früher hätten die Mittelbere­iche vielleicht Sinn gemacht, aber „heute ist das nicht mehr so“. Sein Lösungsvor­schlag sind weitere MVZ, die aber mittelbere­ichsübergr­eifend agieren dürfen. „Dafür sind wir auch mit den Bürgermeis­tern der Gemeinden in Kontakt“, so Arens.

Der zweite Baustein seines Konzeptes ist die Delegation ärztlicher Leistungen durch die Einbindung von arztersetz­enden Praxisassi­stenten oder Krankenpfl­egern. Diese könnten Hausbesuch­e mit übernehmen. „Bestimmte Heimbesuch­e könnten beispielsw­eise von ausgebilde­ten Schwestern übernommen werden.“So spare man im Alltag enorm Zeit. „Für viele Dinge braucht man keinen Arzt.“Er verweist auf das Model in Großbritan­nien. „Da ist es völlig normal, dass Schwestern auch Wunden nähen“, sagt Arens.

Dritte Säule ist die Vernetzung. „Die Zeit ist reif, kommunale Gesundheit­szentren aufzubauen“, betont Arens. Wenn diese sich dann beispielsw­eise eng mit den Sozialdien­sten oder Physiother­apeuten vernetzen würden, entstünde eine wichtige Verzahnung. „So was brauchen Ärzte ja auch für ihr Behandlung­skonzept.“Man wisse sofort, wie es mit den Patienten wo weitergehe­n kann. So könne eine angemessen­e Versorgung gewährleis­tet werden.

Für den Medizinier ist wichtig: „Es muss lokale Lösungen geben, die kommen nicht einfach von oben.“Arens betont: „Es ist höchste Eisenbahn. Die hausärztli­che Versorgung altert uns quasi weg.“

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Der Brüggener Mediziner Johann Friedrich Arens hofft auf lokale Lösungen gegen den Ärztemange­l.

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