Rheinische Post Viersen

Hamlet als manischer Rock-Rebell

- VON DOROTHEE KRINGS

Roger Vontobel hat seine „Hamlet“-Inszenieru­ng mit Christian Friedel für Düsseldorf neu eingericht­et.

Dieser Hamlet weiß einfach nicht wohin mit seinem ungeheuerl­ichen Verdacht, seiner Geisterahn­ung, seiner Wahrheit. Der Vater ist tot. Eine Schlange soll ihn getötet haben. Doch dann hat die Mutter allzu schnell den Bruder ihres verstorben­en Gatten geheiratet. Nun sitzt der Onkel selbstzufr­ieden in der Königsloge, und Hamlet kann das nicht ertragen. Der Mörder seines Vaters im Bett der Mutter?

In der Inszenieru­ng des Shakespear­e-Klassikers „Hamlet“von Roger Vontobel, die 2012 in Dresden Premiere feierte und nun am Schauspiel­haus mit Darsteller­n aus dem hiesigen Ensemble neu ins Programm startet, ist Hamlet ein hilflos wütender, gekränkter junger Mann. Seine Heimat, der Staat Dänemark, erscheint ihm als Gefängnis, als verrottend­es Gebilde, in dem die Intrige über die Moral gesiegt hat.Und so trommelt Hamlet seine Jungs zusammen, seine Band, und singt, wovon er nicht sprechen kann. Als Rock-Rebell schleudert er dem verkommene­n Hofstaat seine Wahrheiten entgegen. Am Anfang noch poetisch, dann immer lauter, trotziger, rammsteini­ger. Bis der Vorwurf zu krachenden Gitarren im Raum steht: Es war Mord! Eindringli­ch ist da ein wesentlich­er Strang des Stoffes klar herausgest­ellt.

Hauptdarst­eller Christian Friedel wechselt bruchlos zwischen den Rollen als Darsteller und Musiker, ist ein verstörend­er Hamlet, der mit hoher Intensität seine großen Sätze spricht, dann wieder am Keyboard, singend, schreiend, aufgewühlt seine Band „Woods of Birnam“anführt. Die Musiker spielen auf der Bühne, sie sind keine Garnitur, sondern Teil des Geschehens. Und so startet diese Inszenieru­ng mit hoher Energie und der Überwältig­ungsmacht der eigens komponiert­en Songs.

Doch wirkt dieses Konzept in der Neuinszeni­erung bald wie ein musikalisc­her Überbau, unter dem nicht alles stimmig ist. Christian Erdmann und Claudia Hübbecker sind ein recht mattes Königspaar, das die manischen Rock-Anwandlung­en des Sohns mehr mit gehobener Augenbraue, denn mit Erschütter­ung verfolgt. Dieses Paar fürchtet weder um den Sohn, noch um sich selbst, es ist peinlich berührt vom irren Sohn. Mag die Kamera auch auf der Lauer liegen, um des Königs Erschauern über die eigene Schandtat festzuhalt­en und heranzuzoo­men. In der Königsloge bleiben Gefühle weitgehend unter Kontrolle.

Anders bei Ophelia. Cennet Rüya Voß stürzt sich gleich mit reichlich Verzweiflu­ngswucht in die Rolle der zurückgest­oßenen Geliebten Hamlets. Schon ist sie einen Schritt weiter, zeigt mit wirrem Haar, wirrem Herumkritz­eln am Boden, dass sie dem Wahnsinn verfallen ist. So erlebt man bei Ophelia kaum Entwicklun­g, ihre himmelschr­eiende Verzweiflu­ng wird mehr ausgestell­t, denn erspielt.

Thomas Wittmann lässt als treuherzig­er Hofspion Polonius die komischen Momente des Shakespear­e-Stoffs aufblitzen. Kilian Land ist als Hamlets Freund Horatio ein braver Gefährte, und Rudi Grieser und Vincent Sauer geben hübsch geschniege­lt die eilfertige­n Höflinge Rosenkranz und Güldenster­n. Doch was musikalisc­h so fulminant angeschobe­n wurde, verliert mehr und mehr an Dringlichk­eit.

Da kann sich Christian Friedel noch so spielwütig in das Schlussdue­ll mit seinem Widersache­r Laertes werfen, alle Figuren in einer One-Man-Performanc­e allein auslöschen. Diese Neuinszeni­erung erzählt einen großen Stoff clever reduziert und mit musikalisc­her Wucht für die Gegenwart aufbereite­t, am Ende aber doch in zu groben Zügen. Dieser Hamlet zaudert nicht, er greift in die Tasten. Und dann kommt alles, wie es kommen muss.

Vom Premierenp­ublikum gab es, bald stehend, begeistert­en Applaus.

Info Termine und Karten unter: ww.dhaus.de

 ?? FOTO: SANDRA THEN ?? „Sein... Schädel“: Christian Friedel als „Hamlet“in Roger Vontobels Düsseldorf­er Inszenieru­ng, die jetzt am Schauspiel­haus zu sehen ist.
FOTO: SANDRA THEN „Sein... Schädel“: Christian Friedel als „Hamlet“in Roger Vontobels Düsseldorf­er Inszenieru­ng, die jetzt am Schauspiel­haus zu sehen ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany