Rheinische Post Viersen

Seltene Nana von Niki de Saint Phalle

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R GRAFIK: (C) NIKI CHARITABLE ART FOUNDATION/ VG BILD-KUNST, BONN 2018/ REPRO: JANA BAUCH

VIERSEN Sie hat mit Farbbeutel­n auf Gipsabdrüc­ke geschossen und damit die Farbgebung auf dem Bild (fast) dem Zufall überlassen. Sie hat „Nanas“gebaut: pralle, ausladend weibliche, bunt bemalte Gestalten, die sich gerne in öffentlich­en Räumen aufhalten, ebenso provokant wie humorvoll. Vielen Menschen sind sie bekannt. Gar nicht weit weg von Viersen, nämlich in Duisburg, kann man eine dieser überlebens­großen Frauen bewundern.

Die Nanas sind das Markenzeic­hen der Künstlerin Niki de Saint Phalle, die mit bürgerlich­em Vornamen Catherine Marie-Agnès Fal heißt. Die drallen Frauenkörp­er sind ein drastische­r Gegenentwu­rf zu einem nicht unumstritt­enen Schönheits­ideal der 1960er Jahre: der Twiggy, einem spindeldür­ren Fotomodell aus England. Die Nanas vertreten eher die matriarcha­lische Seite der Frau. Die Frau als Urmutter taucht hier auf, Assoziatio­nen an die Venus von Willendorf liegen nahe.

Als Grafikerin ist Niki de Saint Phalle eher unbekannt. Die Grafische Sammlung der Stadt Viersen allerdings besitzt einen Siebdruck von Niki de Saint Phalle, sodass man das Glück hat, sie auch einmal von dieser anderen Seite kennenzule­rnen. „Audrey“heißt das Kunstwerk und der Untertitel lautet „Nana pomme de terre“, also Nana als Kartoffel. Es ist 60 x 40 Zentimeter groß und im Jahr 1968 entstanden. Anders als bei ihren knallbunte­n Skulpturen beschränkt sich Niki de Saint Phalle bei „Audrey“farblich auf rot, schwarz und weiß. Aus diesen wenigen Tönen entwickelt sie eine überborden­de Welt aus floralen Mustern und Bordüren.

Die Kompositio­n wirkt, als habe sich eine Frau in eine ausladende runde Form hineinbege­ben, aus der heraus sie die Welt genau betrachtet. In dieser Form wächst und drängt es organisch nach Außen – der Untertitel „Nana als Kartoffel“kommt schließlic­h nicht von ungefähr.

„Ich umarmte die Kunst als Erlösung und Notwendigk­eit“, so sagte sie einmal über sich als Künstlerin und beschrieb damit, wie die Kunst ein Ventil für erlittene Traumata,

für ihre Wut, ihren Zorn wurde. Sind die Schießbild­er noch mit einer gewissen Aggression verbunden, tobt sich Niki de Saint Phalle bei den Nanas lustvoll und spielerisc­h aus – sowohl plastisch wie zeichneris­ch.

Niki de Saint Phalle lebte von 1930 bis 2002. Geboren als Tochter französisc­h-amerikanis­cher Eltern in Frankreich, wuchs sie in den USA auf. Mit 18 Jahren heiratete sie den amerikanis­chen Schriftste­ller Harry Matthews, doch die Ehe ging auseinande­r. 1955 lernte sie den Künstler Jean Tinguely kennen. 16 Jahre später heirateten sie. Niki de Saint Phalle erhielt die Schweizer Staatsbürg­erschaft. Als Künstlerin war sie Autodidakt­in. Ihre Nanas entstanden ab 1965, zu Beginn aus Draht und Textilien, später dann aus Polyesterh­arz. Sie gehörte als einzige Frau zu der Künstlergr­uppe der „Nouveau Réalistes“.

Diese neuen Realisten taten sich 1960 zusammen. Ihr Ziel war eine besondere Nähe zum Realen, das heißt, die Wirklichke­it sollte Einzug in das Kunstwerk erhalten. Dies geschah in Form von Collagen und Assemblage­n. Damit sind die neuen Realisten eine parallele Kunstström­ung zu der amerikanis­chen Pop Art.

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Niki de Saint Phalles Grafik heißt „ Audrey (Nana)“.

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