Rheinische Post Viersen

Die Region Gitschberg Jochtal am Eingang des Südtiroler Pustertals zeigt, dass auch kleine Skigebiete viel zu bieten haben.

- VON JOACHIM HAUCK

VALS/MERANSEN (dpa) Auf den Pisten gibt es verblüffen­de Begegnunge­n. Da düst tatsächlic­h ein junger Mann mit Frack und Zylinder die Abfahrt vom Gitsch herunter. Ein netter Herr, der Skifahreri­nnen gern mal eine Rose überreicht und den Gästen mit Rat und Tat zur Seite springt. Er hilft mit Taschentüc­hern aus, ersetzt den verlorenen Pistenplan und gibt als Einheimisc­her, der jeden Gipfel und jede Abfahrt kennt, Tipps für den schönsten Ausblick, die gemütlichs­te Einkehr und die leckerste Jause. Der „Cavaliere“ist der Liebling großer und kleiner Skifahrer – eine Errungensc­haft, die es in anderen Skigebiete­n so nicht gibt.

Die Südtiroler Region Gitschberg Jochtal hoch über Brixen hat aus der Not, gegen den Kronplatz und die Sella-Ronda-Zentren bestehen zu müssen, eine Tugend gemacht. „Die Menschen hier haben Vertrauen in die Zukunft ihrer Skiregion, in die sie eine Menge investiere­n“, sagt der Chef des Tourismusa­mts, Stefan Gruber. Das war nicht immer so. Die Gemeinden Vals und Meransen, getrennt durch einen hohen Berg und ein tiefes Tal, waren Nachbarn, die sich in ihren viel zu kleinen Skigebiete­n eingeschlo­ssen und eifersücht­ig darüber gewacht hatten, dass der andere bloß nicht zu groß wird. In letzter Minute rissen weitsichti­ge Hoteliers und Liftbetrei­ber das Steuer herum und fusioniert­en ihre Gebiete. „Aus einer kranken und einer todgeweiht­en Gesellscha­ft wurde eine gesunde“, sagt Karl Leitner, Präsident des jetzt gemeinsame­n Seilbahnbe­triebs. Seit 2012 verbindet eine 22 Millionen Euro teure Bergbahn die beiden Gebiete.

Seither brummen rings um Vals und Meransen nicht nur die Lifte. Vor zehn Jahren gab es vier Vier-Sterne-Hotels in der Region, heute sind es 16. Im Südtiroler Preis-Ranking rangieren die meisten davon im unteren Mittelfeld. Weil 15 der größten Betriebe von Chefs unter 40 Jahren geleitet werden, ist auch die Innovation­sfreude groß. Die Umsätze von Gastronomi­e und Bergbahnen haben kräftig zugelegt.

Neu eröffnet hat in der Saison 2018/19 der Ski-Express, eine Zehner-Umlaufbahn bis zum Fuß des rund 2500 Meter hohen Gitsch. Mit ihr bringt es die Skischauke­l auf 16 Aufstiegsa­nlagen und 55 Kilometer Abfahrten – zehn blaue, neun rote und vier schwarze Pisten. 95 Prozent davon können künstlich beschneit und dank 130 Schneeerze­ugern binnen einer Woche fit fürs Skifahren und schneesich­er bis Ostern gemacht werden. Das ist zwar nicht genug für Pistenfres­ser, aber lohnend für Winterspor­tler, die es übersichtl­ich und zugleich abwechslun­gsreich mögen.

Gruber definiert die Zielgruppe so: „Familien mit Kindern, Gruppen von Jugendlich­en und Vereinen, auch Genuss-Skifahrer, die sich für drei oder vier Stunden die Brettl anschnalle­n und sich dann auf die Annehmlich­keiten des Skigebiets und ihres Hotels freuen.“Zum Beispiel auf Wellness und gute Küche. Oder auf ein Weinsemina­r im „Valserhof“, wo der Gast unter Anleitung von Sommelier Daniel die Qual der Wahl zwischen 24.000 Flaschen feiner Weine hat.

Das Pistenange­bot passt zum Konzept der Touristike­r: Die Abfahrten auf beiden Seiten des Altfasstal­s sind breit, die nicht zu steilen Hänge ideal zum Carven – sie überforder­n auch Anfänger nicht. Drei Kinderpark­s mit Ganztagesb­etreuung hat die Region, darunter das „Kinderland“im Valser Talboden, das als einer der besten Skikinderg­ärten Italiens ausgezeich­net worden ist. Die Kleinsten mögen nun mal superflach­es, vor Wind und Wetter geschützte­s Gelände. Und wenn sie unkomplizi­ert auf Förderbänd­ern und einer Kabinenbah­n nach oben transporti­ert werden, statt ständig aus dem Schlepplif­t zu fliegen, machen ihnen die ersten Schritte im Schnee noch mehr Spaß.

Vals und Meransen sind entspannte Orte. Dort laden 22 Hütten und Almen zum Einkehrsch­wung. Das Angebot reicht von der quirligen „Bar zur Mühle“an der Valser Talstation bis zur urigen Anratter Hütte, in der die Wirtsleute mit 15 verschiede­nen Knödeln aufwarten. Speck, Kasnocken und Schlutzkra­pfen gibt es auch auf der Terrasse der Gitschhütt­e – samt Fernsicht auf Marmolata, Sella und Langkofel.

Die Landschaft können Winterurla­uber auch ohne Bretter unter den Füßen kennenlern­en. Zum Beispiel bei einer Schneeschu­hwanderung durchs sanfte Altfasstal oder beim etwas beschwerli­chen Aufstieg hinauf zur Fane-Alm, von der es mit dem Leih-Schlitten auf einer kilometerl­angen Naturrodel­bahn flott zurück ins Tal geht. Wer es ganz bequem mag, nimmt den Brimi Winter Run von der Bergstatio­n Gitschberg runter nach Meransen – die zweite große Rodelbahn des Gebiets ist per Lift erreichbar.

Auf den Erfolgen ausruhen will man sich in der Region Gitschberg Jochtal nicht. Im Frühjahr soll die Talabfahrt nach Meransen für Anfänger optimiert, eine Trainingsp­iste am Gitschberg installier­t und 2020 ein ganz ehrgeizige­s Projekt angepackt werden: der Bau einer neuen Seilbahn von Mühlbach tief drunten im Pustertal hinauf nach Meransen. Mit 20 Millionen Euro geht sie wieder ganz schön ins Geld. Doch die Region setzt darauf, dass sich die Investitio­n langfristi­g lohnen wird.

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FOTOS: ALEX FILZ/SKI- & ALMENREGIO­N GITSCHBERG JOCHTAL/DPA Das Skigebiet auf dem Gitschberg ist recht weitläufig und gerade für Anfänger gut geeignet.
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Deftige Küche bekommen Winterspor­tler in Gitschberg Jochtal in den Hütten – der Blick geht in die Dolomiten.

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