Klöckner: „Es ist genug für alle da“
Die Agrarministerin mahnt bei Einkäufen zu „Maß und Mitte“. NRW hält die Grenze zu Belgien und den Niederlanden vorerst offen. Experten sehen keine Gefahr für eine Infizierung mit dem Coronavirus über Nahrung oder Güter.
BERLIN/DÜSSELDORF Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hat der Bevölkerung die Versorgung mit Lebensmitteln in der Coronakrise garantiert und Hamsterkäufe als unsolidarisch und verschwenderisch kritisiert. „Es ist genug für alle da“, betonte Klöckner am Dienstag in Berlin. Die Supermärkte blieben offen. Sie legte Zahlen vor, wonach die deutsche Landwirtschaft etwa mehr Nahrungsmittel wie Kartoffeln, Käse, Getreide, Schweinefleisch und Frischmilchprodukte produziert, als die gesamte Bevölkerung verzehren kann. Der Selbstversorgungsgrad bei Kartoffeln liege bei 148 Prozent, bei Schweinefleisch bei 119 Prozent. Auch die Futterversorgung der Tiere sei gesichert. Die Ministerin bezeichnete die Landwirtschaftsund Ernährungsbranche aber als systemrelevant und forderte eine Notfallbetreuung auch für die Kinder dieser Mitarbeiter.
In NRW sind Hamsterkäufe nach
Angaben von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) an den Grenzen zu Belgien und den Niederlanden derzeit kaum zu beobachten. Er will sie daher vorerst offenhalten, weil Grenzschließungen die Lieferketten störten. Er stehe aber mit den Regierungschefs der Nachbarländer in engem Kontakt. Dem Vernehmen nach könnte es auch darum gehen, dass am Wochenende bei offenen Grenzen mit Einkaufstourismus zu rechnen ist. Das solle unbedingt vermieden werden.
Um die Versorgung der Supermärkte zu sichern, hatte NRW die Sonntagsfahrverbote für Lkw gelockert. Betroffen ist vor allem der Transport von haltbaren Lebensmitteln und Hygieneartikeln. Für wichtige Angebote des täglichen Bedarfs wird die Öffnung am Sonntag gestattet. Hierzu zählten der Lebensmittelhandel und Apotheken. Von Mittwoch an schließen Cafés und Restaurants in NRW bereits um 15 Uhr, in Köln sollen die Restaurants ganz geschlossen werden. Eine Überprüfung des geforderten Abstands von zwei Metern zwischen den Tischen sei nicht möglich.
Die Landesregierung sorgte für Verwirrung, weil sie zunächst in einem Erlass deutlich mehr Geschäften die Öffnung gestattete als der Rest der Republik. Demnach hätten etwa auch Kleiderboutiquen oder Buchhandlungen weiterhin ihre Waren verkaufen dürfen. Der Handelsverband NRW zeigte sich nach eigenen Angaben überrascht „von dieser Entwicklung, die von der Erlasslage der anderen Bundesländer abweicht“. Am späten Abend korrigierte das NRW-Gesundheitsministerium jedoch seine Anweisungen. Ab Mittwoch dürfen nun doch nur noch Lebensmittelgeschäfte, Wochenmärkte, Abholund Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser,
Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Frisöre, Reinigungen, Waschsalons, der Zeitungsverkauf, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte sowie der Großhandel geöffnet haben.
Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Deutschland, setzte sich für Lockerungen der Vorschriften für Sonntagsarbeit, Lenkzeiten von Lkw-Fahrern, des Lärmschutzes bei nächtlicher Entladung sowie für eine Überholspur für Lastwagen an den Grenzen ein.
Sorgen bereiten Klöckner und Bauernpräsident Joachim Rukwied die Engpässe bei den Erntehelfern. Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Marco Wanderwitz (CDU), sagte, man solle überlegen, „ob nicht jene Arbeitskräfte aushelfen können, deren Arbeitgeber sie derzeit nicht beschäftigen können, weil ihre Geschäfte oder Kneipen beispielsweise geschlossen bleiben müssen“. Besser könnten etwa Kellner bei der Ernte helfen, als dass wertvolle Nahrungsmittel verrotteten.
Zu Ängsten von Bürgern, sie könnten sich über Lebensmittel anstecken, sagte der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Andreas Hensel, solche Fälle seien nicht bekannt.