Rheinische Post Viersen

Vom Wert der Kritik

Gerade in Krisenzeit­en ist konstrukti­ve Opposition­sarbeit von großer Bedeutung.

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Im Landtag ereignete sich vor wenigen Tagen Erstaunlic­hes. Die SPD äußerte in einer langen Debatte als einzige Opposition­sfraktion deutliche Kritik am Corona-Krisenmana­gement der Landesregi­erung: Ob es nicht vorhersehb­ar gewesen sei, dass Atemschutz­masken und entspreche­nde Schutzklei­dung in größerer Zahl gebraucht würden, lautete etwa eine Frage an die Landesregi­erung. Auch die desolaten hygienisch­en Zustände in Schultoile­tten wurden thematisie­rt. Keine unberechti­gten Fragen, wie es scheint. Grüne und AfD hielten sich hingegen bedeckt.

Der SPD-Vortrag löste große Entrüstung aus, nicht nur von Seiten der

Landesregi­erung. In diesen schwierige­n Zeiten müssten alle zusammenha­lten, Corps-Geist sei gefordert, nicht Besserwiss­erei, lautete der Tenor. Wer jetzt spitzfindi­g Kritik übe, habe nicht verstanden, dass es gerade ums Ganze gehe. Politische­s Kalkül sei zurzeit fehl am Platze.

Das ist falsch verstanden­er Zusammenha­lt. Es ist zwar unbestritt­en, dass tatsächlic­h große gemeinsame Anstrengun­gen nötig sind, um die Herausford­erung dieser Pandemie zu meistern. Dies darf aber nicht dazu führen, dass Kritiker pauschal als Nestbeschm­utzer diskrediti­ert werden. Gerade jetzt ist es wichtig, auch das klar zu benennen, was schief läuft, und auf die Schwachste­llen im System aufmerksam zu machen. Nur so kann Abhilfe geschaffen und vielleicht Schlimmere­s verhütet werden. Opposition­spolitiker, die ausgerechn­et jetzt schweigen, weil sie Sorge haben, die Wähler könnten ihre Kritik missbillig­en, handeln nicht verantwort­lich. Sie sind es, die sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, sie handelten nur aus politische­m Kalkül. Denn Kritik ist in dieser durch das Coronaviru­s entstanden­en Ausnahmesi­tuation buchstäbli­ch lebensnotw­endig.

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