Kliniken schaffen zusätzliche Intensivplätze
Laut einem Notfallplan von Bund und Ländern sollen Hotels provisorische Krankenstationen werden.
DÜSSELDORF Derzeit werden in deutschen Krankenhäusern rund 500 Patienten wegen einer Coronavirus-Infektion behandelt. Die Zahl wird sich nach Ansicht von Experten in den kommenden Tagen verdreifachen. „Die Krankenhäuser bereiten sich unter Hochdruck auf eine Vielzahl von schwerkranken Coronavirus-Patienten vor“, sagt Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW. Bei einem von fünf verläuft die Infektion schwer, und je nach Risikogruppe ist die sich entwickelte Lungenkrankheit Covid-19 so kritisch, dass die Patienten intensivmedizinisch versorgt werden müssen.
28.000 Intensivbetten gibt es in Deutschland, in NRW sind es 6136, davon 4323 mit Beatmungsmöglichkeit. Diese sind durchschnittlich mit einer Quote von 70 bis 80 Prozent belegt. „Es gibt im Moment ausreichend Kapazitäten für schwerkranke Corona-Patienten“, sagt Brink. Doch die Kliniken und die Landesregierungen
ergreifen bereits Maßnahmen für den Ernstfall. Mit der seit Montag gültigen Vorgabe, planbare Operationen zu verschieben, werden kurzfristig Kapazitäten für Intensivstationen frei gemacht. 1144 zusätzliche Beatmungsplätze könnten so geschaffen werden, sagt Brink. „Aktuell laufen in allen Krankenhäusern unterstützt durch Maßnahmen des Gesundheitsministeriums Bestrebungen, mittelfristig weitere Beatmungsplätze zu schaffen und zusätzliche Beatmungsgeräte anzuschaffen.“Nach einem Beschluss von Bund und Ländern sollen Rehabilitationseinrichtungen, Hotels oder Hallen zu Behandlungszentren für leichtere Fälle umgestaltet werden. Die Zahl der Intensivbetten soll zudem verdoppelt werden.
Clemens Wendtner ist Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing. Die Klinik hat bisher die meisten Covid-19-Patienten in Deutschland behandelt. Er meint: „Die Versorgungssituation hängt weniger an den Betten und den Beatmungsgeräten. Das sind Dinge, die man schnell verfügbar machen kann.“Letzten Endes werde es auch auf das Personal ankommen. Denn es braucht Krankenpfleger, die die Geräte bedienen können. Durch die verschobenen Operationen werden auch beim Personal einige Kapazitäten frei. „Dazu gibt es Möglichkeiten wie Urlaubssperren und die Absage von Dienstreisen und Fortbildungen, aber auch die Einrichtung von Kinderbetreuung“, sagte Wendtner vergangene Woche dem Kölner Science Media Center.
Italienische Verhältnisse erwarten die Mediziner hierzulande nicht. Im Vergleich zu Italien hat Deutschland bezogen auf 1000 Einwohner zweieinhalb Mal so viele Intensivbetten. „Wenn wir Italien wären, hätten wir 11.000 übertragen auf unsere Größe. Daran sieht man das Reservepotenzial, das wir haben“, so Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin. Doch nicht nur die Regierungen und die Kliniken selbst könnten Vorkehrungen treffen. Auch jeder Einzelne. „Die Bevölkerung muss mitdenken und jetzt nicht in die Krankenhäuser stürmen, um diese von ihrer echten Arbeit an den Schwerkranken abzuhalten“, findet Busse: „Ich glaube, es muss als Message herüberkommen, dass Krankenhäuser wirklich für die Schwerkranken da sind und nicht für jeden Hustenden.“
Die Krankenhausgesellschaft betont derweil noch einmal, dass alle notwendigen Operationen weiterhin stattfinden. Patienten mit schweren Erkrankungen wie Krebs, die auf eine schon terminierte Operation warten, müssten keine Sorge haben, dass der Eingriff verschoben wird.
„Die Bevölkerung muss mitdenken und jetzt nicht in die Krankenhäuser stürmen“Reinhard Busse
TU Berlin