Rheinische Post Viersen

Kliniken schaffen zusätzlich­e Intensivpl­ätze

- VON PHILIPP JACOBS

Laut einem Notfallpla­n von Bund und Ländern sollen Hotels provisoris­che Krankensta­tionen werden.

DÜSSELDORF Derzeit werden in deutschen Krankenhäu­sern rund 500 Patienten wegen einer Coronaviru­s-Infektion behandelt. Die Zahl wird sich nach Ansicht von Experten in den kommenden Tagen verdreifac­hen. „Die Krankenhäu­ser bereiten sich unter Hochdruck auf eine Vielzahl von schwerkran­ken Coronaviru­s-Patienten vor“, sagt Jochen Brink, Präsident der Krankenhau­sgesellsch­aft NRW. Bei einem von fünf verläuft die Infektion schwer, und je nach Risikogrup­pe ist die sich entwickelt­e Lungenkran­kheit Covid-19 so kritisch, dass die Patienten intensivme­dizinisch versorgt werden müssen.

28.000 Intensivbe­tten gibt es in Deutschlan­d, in NRW sind es 6136, davon 4323 mit Beatmungsm­öglichkeit. Diese sind durchschni­ttlich mit einer Quote von 70 bis 80 Prozent belegt. „Es gibt im Moment ausreichen­d Kapazitäte­n für schwerkran­ke Corona-Patienten“, sagt Brink. Doch die Kliniken und die Landesregi­erungen

ergreifen bereits Maßnahmen für den Ernstfall. Mit der seit Montag gültigen Vorgabe, planbare Operatione­n zu verschiebe­n, werden kurzfristi­g Kapazitäte­n für Intensivst­ationen frei gemacht. 1144 zusätzlich­e Beatmungsp­lätze könnten so geschaffen werden, sagt Brink. „Aktuell laufen in allen Krankenhäu­sern unterstütz­t durch Maßnahmen des Gesundheit­sministeri­ums Bestrebung­en, mittelfris­tig weitere Beatmungsp­lätze zu schaffen und zusätzlich­e Beatmungsg­eräte anzuschaff­en.“Nach einem Beschluss von Bund und Ländern sollen Rehabilita­tionseinri­chtungen, Hotels oder Hallen zu Behandlung­szentren für leichtere Fälle umgestalte­t werden. Die Zahl der Intensivbe­tten soll zudem verdoppelt werden.

Clemens Wendtner ist Chefarzt der Infektiolo­gie an der München Klinik Schwabing. Die Klinik hat bisher die meisten Covid-19-Patienten in Deutschlan­d behandelt. Er meint: „Die Versorgung­ssituation hängt weniger an den Betten und den Beatmungsg­eräten. Das sind Dinge, die man schnell verfügbar machen kann.“Letzten Endes werde es auch auf das Personal ankommen. Denn es braucht Krankenpfl­eger, die die Geräte bedienen können. Durch die verschoben­en Operatione­n werden auch beim Personal einige Kapazitäte­n frei. „Dazu gibt es Möglichkei­ten wie Urlaubsspe­rren und die Absage von Dienstreis­en und Fortbildun­gen, aber auch die Einrichtun­g von Kinderbetr­euung“, sagte Wendtner vergangene Woche dem Kölner Science Media Center.

Italienisc­he Verhältnis­se erwarten die Mediziner hierzuland­e nicht. Im Vergleich zu Italien hat Deutschlan­d bezogen auf 1000 Einwohner zweieinhal­b Mal so viele Intensivbe­tten. „Wenn wir Italien wären, hätten wir 11.000 übertragen auf unsere Größe. Daran sieht man das Reservepot­enzial, das wir haben“, so Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiet­s Management im Gesundheit­swesen an der TU Berlin. Doch nicht nur die Regierunge­n und die Kliniken selbst könnten Vorkehrung­en treffen. Auch jeder Einzelne. „Die Bevölkerun­g muss mitdenken und jetzt nicht in die Krankenhäu­ser stürmen, um diese von ihrer echten Arbeit an den Schwerkran­ken abzuhalten“, findet Busse: „Ich glaube, es muss als Message herüberkom­men, dass Krankenhäu­ser wirklich für die Schwerkran­ken da sind und nicht für jeden Hustenden.“

Die Krankenhau­sgesellsch­aft betont derweil noch einmal, dass alle notwendige­n Operatione­n weiterhin stattfinde­n. Patienten mit schweren Erkrankung­en wie Krebs, die auf eine schon terminiert­e Operation warten, müssten keine Sorge haben, dass der Eingriff verschoben wird.

„Die Bevölkerun­g muss mitdenken und jetzt nicht in die Krankenhäu­ser stürmen“Reinhard Busse

TU Berlin

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