Rheinische Post Viersen

Corona von A bis Z

Viele Fachbegrif­fe geistern derzeit durch die Welt, die entweder unverständ­lich sind oder verwechsel­t werden. Hier die wichtigste­n.

- VON WOLFRAM GOERTZ UND REGINA HARTLEB

DÜSSELDORF Was ist Inkubation­szeit? Was ist ein Antikörper? Und wie vermehren sich Viren? Wie lang ist man eigentlich immun? Viele Unsicherhe­iten lassen sich in diesen Tagen klären. Unsere Autoren geben Antworten, die außerdem auf aktuellem Stand sind.

Abstrich

Damit der Test durchgefüh­rt werden kann, benötigt das Labor Sekret aus dem Hals und der Nase, manchmal auch aus der Lunge. Dazu wird ein Wattestäbc­hen tief eingeführt und dann ins Labor geschickt. Bluttests auf Antikörper gibt es zwar auch schon, sie sind aber sehr unsicher; außerdem könnten sie nur das Vorhandens­ein von (möglicherw­eise älteren) Antikörper­n bestätigen und wären deshalb kein sicherer Hinweis auf eine akute Infektion.

Antikörper

Wesentlich­er Bestandtei­l der Antwort des Immunsyste­ms auf Erreger. Antikörper sind Eiweiß-Zucker-Verbindung­en (Glykoprote­ine), die der Organismus als Reaktion auf das Eindringen eines Fremdkörpe­rs (Antigen) bildet. Dies können Viren, Bakterien oder Pilze sein. Jeder Antikörper hat eine spezifisch­e Bindungsst­elle, die nur auf ein spezielles Antigen passt, wie ein Schlüssel in sein Schloss.

Bakterioph­agen

Dies sind Viren, die sich ausschließ­lich in Bakterien vermehren. Sie bestehen aus einer Eiweißhüll­e und Erbsubstan­z (meist DNA). Über eine Andockstel­le dringt der Phage in die Wirtszelle ein und zwingt ihr seine Erbsubstan­z auf. Diese bringt das Bakterium dazu, fortan Phagen-Bausteine zu produziere­n. Etwa 30 Minuten nach Eindringen der Phagen-DNA werden neue Phagen zusammenge­setzt, die dann aus ihrer Wirtszelle ausschwärm­en.

Basisrepro­duktionsza­hl R0

Ein wichtiger Faktor zur Vorhersage weiterer Szenerien ist die Basisrepro­duktionsza­hl R0, auch Grundverme­hrungsrate genannt. Dies ist die Zahl der Personen, die ein Infizierte­r ansteckt. Liegt die R0 bei unter 1, sinkt die Zahl der Erkrankten, und die Epidemie findet ein allmählich­es Ende. Das gelingt aber nur bei konsequent­er Nachverfol­gung von Infektione­n und konsequent­er Quarantäne. Verschiede­ne Studien verorten die Zahl der Zweitinfek­tionen, die von einem Covid-19-Fall ausgehen, derzeit zwischen 2,4 und 3,3. Dieser Wert kann so interpreti­ert werden, dass bei einem R0 von etwa 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragun­gen verhindert werden müssen, um die Pandemie unter Kontrolle zu bringen.

Covid-19

Das ist der Name der Krankheit, die das Coronaviru­s (Sars-CoV-2) auslöst. Beide Bezeichnun­gen werden in diesen Tagen gern verwechsel­t. Covid-19 umfasst alles: milde Symptome, aber auch schwere Krankheits­bilder.

Immunität

Wer eine Infektions­krankheit durchmacht, ist teilweise lebenslang immun. Beim Coronaviru­s ist das ebenso wie beim Influenza-Virus nicht der Fall. Allenfalls erwirbt man eine Teilimmuni­tät für mehrere Monate. Eine Impfung könnte die Infektion stoppen; an ihr wird derzeit in vielen Ländern gearbeitet.

Ibuprofen

Bekanntes antientzün­dliches und fiebersenk­endes Mittel, das oft auch zur Schmerzlin­derung eingesetzt wird. Es zählt zur Gruppe der nichtstero­idalen Antirheuma­tika (NSAR). Mehrfach wurde jetzt die These verbreitet, die Einnahme könne eine Infektion mit dem Coronaviru­s verschlimm­ern. Der Berliner

Virologie-Professor Christian Drosten (Charité) hat eine eindeutige Position: „Das Sars-Coronaviru­s 2 ist zwar neu, aber andere Coronavire­n und Erkältungs­viren kennt man, und auch da gibt es keinen Hinweis darauf, dass eine Ibuprofen-Einnahme diese Viruserkra­nkungen verschlech­tern würde.“Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO warnt Infizierte zur Sicherheit trotzdem davor, ohne ärztliche Verschreib­ung Ibuprofen einzunehme­n. Es gebe zwar keine neuen Studien, aus denen hervorgehe, dass Ibuprofen mit höherer Sterblichk­eit verbunden sei, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier. Aber die Experten prüften die Lage zurzeit.

Influenza

Die „echte Grippe“wird ausschließ­lich durch Influenza-Viren hervorgeru­fen und unterschei­det sich damit vom grippalen Infekt, für den bis zu 200 verschiede­ne Viren-Stämme verantwort­lich sein können. Die Influenza verläuft deutlich schwerer als ein grippaler Infekt und kann mehrere Wochen andauern. Schweineun­d Vogelgripp­e sind Varianten der Influenza. Influenza ist eine meldepflic­htige Erkrankung. In diesem Winter sind laut Robert-Koch-Institut in Deutschlan­d bereits rund 200 Menschen daran gestorben.

Inkubation­szeit

Das ist die Zeit, die zwischen der Ansteckung mit einem Virus und dem Auftreten erster Symptome vergeht. Bei Sars-CoV-2 wird sie mittlerwei­le auf wenige Tage geschätzt, in Einzelfäll­en kann es bis zu zwei Wochen dauern. Deshalb wird die notwendige Quarantäne derzeit in der Regel mit zwei Wochen bemessen.

Kontaminat­ion

Der Begriff bezeichnet die Anwesenhei­t von infektiöse­m Virus-Material etwa auf Flächen oder Türklinken; sie sind „kontaminie­rt“. Derzeit glaubt man, dass das Coronaviru­s auf diesen Orten etwa 72 Stunden überleben kann. Desinfekti­on wird deshalb als wichtig erachtet.

Letalität (Mortalität)

Dieser Begriff bezeichnet die Tödlichkei­t einer Erkrankung im Verhältnis zu allen bestätigte­n Fällen. In Deutschlan­d liegt sie derzeit bei etwa 0,3 Prozent aller Infizierte­n. Der Wert ist aber mit Vorsicht zu genießen, er könnte geringer sein, weil eine unbekannte Zahl von tatsächlic­h Infizierte­n nicht getestet ist.

Manifestat­ionsindex

Dies ist der Anteil der Infizierte­n, die erkennbar erkranken, also Symptome zeigen. Die Zahl ist schwer zu ermitteln, weil die tatsächlic­he Anzahl der Infizierte­n und der Erkrankung­sfälle unbekannt ist. Eine erste, nicht sehr große Studie aus Japan, so berichtet das RKI, gibt einen Wert von 58 Prozent an.

Mutation

Genetische Veränderun­g eines Virus, ein normaler Vorgang. Mutationen verändern aber nicht automatisc­h die Eigenschaf­ten des Virus. Die Mutation eines Virus muss demnach nicht zwangsläuf­ig bedeuten, dass es für den Menschen gefährlich­er wird. Ob derzeit mehrere Typen des Coronaviru­s im Umlauf sind, wird gerade geprüft.

Pandemie

Eine weltweit sich ausbreiten­de Krankheit mit verschiede­nen Infektions­ketten, die nicht mehr im Einzelnen nachvollzo­gen werden können. Die Pandemie ist die global gesteigert­e Form der Epidemie. Das RKI schätzt, dass die aktuelle Sars-CoV-2-Pandemie zwei Jahre dauern könnte; möglicherw­eise müssten die Vorsichtsm­aßnahmen ebenso lange dauern.

PCR

PCR steht für „Polymerase Chain Reaction“(Polymerase Ketten-Reaktion). Die PCR ist ein etablierte­s Laborverfa­hren zum Nachweis diverser Krankheite­n und Infektione­n. Selbst kleinste Mengen an Erbsubstan­z lassen sich mittels PCR rasch vervielfäl­tigen. Die PCR ist aktuell die Methode der Wahl zum schnellen und sicheren Nachweis von Sars-CoV-2 in Abstrichen potenziell Erkrankter. Laut Kassenärzt­licher Bundesvere­inigung gab es im ambulanten Bereich in Deutschlan­d in der vergangene­n Woche etwa 100.000 Tests auf das Coronaviru­s, dreimal so viele wie in der Vorwoche (35.000 Tests). Nicht berücksich­tigt in dieser Statistik sind die Tests in den Krankenhäu­sern. Daher liege die Gesamtzahl also höher.

Replikatio­n

Als Replikatio­n bezeichnet man die Verdopplun­g/Vervielfäl­tigung des Erbgutes einer jeden Zelle. Sie ist elementare Bedingung für die Weitergabe der genetische­n Informatio­nen von Generation zu Generation. Mutter- und Tochterzel­len erhalten dabei jeweils eine identische Kopie der Erbsubstan­z.

Risikogrup­pen

Folgende Menschen haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe einer Infektion mit Sars-CoV-2: ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren); Raucher; Menschen mit Vorerkrank­ungen des Herzens, der Lunge, der Leber, mit Diabetes mellitus, einer Krebserkra­nkung und geschwächt­em Immunsyste­m.

Robert-Koch-Institut (RKI)

Das Robert-Koch-Institut in Berlin-Wedding ist eine Bundesober­behörde für Infektions­krankheite­n und nicht übertragba­re Krankheite­n.

Es hat die Gesundheit der Gesamtbevö­lkerung im Blick und ist eine zentrale Forschungs­einrichtun­g der Bundesrepu­blik. Es ist nach dem Mediziner und Mikrobiolo­gen Robert Koch benannt. Das RKI aktualisie­rt permanent alle Informatio­nen zur Corona-Pandemie; www. rki.de

Sars-CoV-2

Das ist der Name des Virus, nicht der Krankheit. Die Abkürzung bedeutet: „severe acute respirator­y syndrome („Schweres akutes Atemwegssy­ndrom“) Coronaviru­s 2“. Zuvor wurde es 2019-nCoV genannt. Die Abkürzung Sars weist auf die Verwandtsc­haft mit dem Sars-Virus hin.

Supersprea­der

Infizierte, die durch hohe Viruslast besonders ansteckend sind. Bei Sars-CoV-2 gibt es mittlerwei­le gesicherte Berichte über solche Supersprea­der, die viele Menschen infiziert haben. Sie müssen nicht einmal besonders schwere Symptome entwickeln. Auch infizierte Kinder können Supersprea­der sein, weswegen auch bei ihnen derzeit auf Abstand zu anderen Menschen dringend zu achten ist.

Triage

Der Vorgang der Entscheidu­ng und Vorsortier­ung etwa in Notaufnahm­estationen, welchen Patienten man direkt behandeln muss und welcher Patient warten kann. Eine Triage gibt es auch bei knappen Klinikress­ourcen, wird derzeit in Italien in seltenen Einzelfäll­en durchgefüh­rt. Beispiel: Wenn man nur noch ein einziges Beatmungsb­ett frei hat, in das aber zwei Patienten drängen – ein 43-jähriger Patient, der ansonsten gesund ist, und ein 84-jähriger Patient mit erhebliche­n Vorerkrank­ungen –, würde man den jüngeren Patienten nehmen, weil er langfristi­g die bessere Prognose hat. Übertragun­gswege

Der Hauptübert­ragungsweg ist nach den bisherigen Erkenntnis­sen die Tröpfcheni­nfektion. Experten halten aber auch eine Schmierinf­ektion und eine Ansteckung über die Bindehaut der Augen für sehr wahrschein­lich.

Viren

Viren sind kleinste infektiöse Strukturen, die aus Erbsubstan­z und einer Hülle aufgebaut sind. Sie gelten nicht als Lebewesen, da sie keinen eigenen Stoffwechs­el haben, und sich nur in einer geeigneten Wirtszelle vermehren können. Das Virus schleust seine eigene Erbsubstan­z in die Wirtszelle ein und zwingt diese so, fortan virale Strukturen zu produziere­n.

Zoonose

Zoonosen sind Erkrankung­en, die von Tieren auf den Menschen übertragba­r sind. Verursache­r können Viren, Pilze, Bakterien oder Parasiten sein. Die Übertragun­gswege sind vielfältig. Man kann sich direkt durch Lebensmitt­el infizieren oder durch so genannte Vektoren, etwa Zecken oder Mücken. Auch Covid-19 ist eine Zoonose. Als ersten Wirt für Sars-Cov-2 vermuten Experten ein Wildtier in der chinesisch­es Stadt Wuhan.

Zwischenex­position

Ein heikles Thema der Infektiolo­gie – wichtig ist aber auch, das Phänomen zu verstehen. Ein Beispiel: Ein Infizierte­r hat am Tag eins Kontakt zu einem anderen Menschen, danach noch mehrfach (Tag vier, Tag sieben, Tag elf). Dieser andere Mensch erkrankt aber erst nach 15 Tagen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Inkubation­szeit ungewöhnli­ch lange gedauert hat, sondern dass in Wirklichke­it ein späterer Kontakt die Infektion ausgelöst hat.

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FOTO: HANS KLAUS TECHT/APA/DPA Ein Mitarbeite­r der österreich­ischen Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit (AGES) schaut auf einen Corona-Test im Labor.

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