In NRW hingen
20.000 Lehrer-Mails fest. Ausfälle liegen an den Arbeitgebern, betonen die Provider. Bei Überlastung wollen sie nun die StreamingQualität senken.
DÜSSELDORF Bringt die Corona-Krise die digitale Infrastruktur unter zu starken Druck? Zumindest die Lehrer von Nordrhein-Westfalen konnten am Dienstag diesen Eindruck gewinnen. Logineo, das Schulnetz des Landes, war fast zusammengebrochen, nachdem viele Pädagogen Hausaufgaben an die vorzeitig in die Osterferien geschickten Schüler versenden wollten. Stundenlang konnten keine Mails zugestellt werden. Zirka 20.000 Mails würden auf die Zustellung warten, erfuhren die Lehrer.
Der digitale Stau ist kein Einzelfall. Obwohl Telekom, Vodafone und Telefonica erklären, ihre Netze seien bisher nicht überlastet, werden zunehmend Probleme beim Betrieb von Computersystemen über das Internet berichtet.
„Grundsätzlich sollte es keine Probleme mit den Internetgeschwindigkeiten geben“, sagt Harald Summa, Geschäftsführer des weltweit größten Internetknotens DE-CIX in Frankfurt. Dort wurde am 10. März ein neuer Rekordwert von 9,1 Terabit Daten pro Sekunde gemessen – nie zuvor wurden auf der Welt so viele Daten gleichzeitig verschickt. Auch in den Tagen danach lagen die Werte deutlich höher als in den Vorwochen. Solche Internetknoten sind so etwas wie die Autobahnkreuze des Internets, hier treffen die verschiedenen Netze der Anbieter wie Telekom, Vodafone oder Netcologne zusammen. Hier werden die Daten ausgetauscht, um anschließend in anderen Netzen weiterzureisen, bis sie bei ihrem Ziel ankommen. So kommen die Daten von Deutschland in die USA oder Afrika – oder vom Homeoffice zum Arbeitgeber.
Beim Verband der Internetwirtschaft Eco, dessen Präsident Summa ist, beobachtet man momentan einen Anstieg des Datenverkehrs, der mehr als 50 Prozent über dem regulären Spitzenwert am Abend zwischen 20 und 22 Uhr liegt. Sorgen um die Netzstabilität muss man sich laut Summa dennoch nicht machen. „Der Internetknoten hat an sich keine Probleme, wir haben eine Kapazität von 41 Terrabit und könnten den Internetknoten auf 148 Terrabit ausbauen.“
Ruckelnde Verbindungen, die Mitarbeiter nun möglicherweise im Homeoffice verstärkt wahrnehmen, haben daher nichts mit überlasteten, zentralen Netzen zu tun. Laut
Eco-Verband hätten viele Arbeitgeber jedoch versäumt, ihre Infrastruktur so auszubauen, dass sie im Notfall die Kapazität deutlich erhöhen können. Heißt im Klartext: Viele Anschlüsse von Unternehmen und anderen Institutionen sind zu leistungsschwach dimensioniert.
Dieses Risiko haben viele Konzerne erkannt. Bayer erhöhte wegen der Corona-Krise die digitalen Kapazitäten so stark, dass nun „mehrere zehntausend Mitarbeiter“ins Home-Office wechseln konnten. Doch um vorzusorgen, sollen die Kollegen sich nur noch für besonders sensible Anwendungen ins Firmennetzwerk einwählen. Videokonferenzen über Skype und der Versand von E-Mails sollen besser nur über das „normale Internet“laufen, sagt ein Sprecher.
Bei der Versicherung Ergo sind mehr als 5000 Beschäftigte im Homeoffice, es laufe gut, sagt eine Sprecherin. Doch in manchen Orten stocke der Datenstrom wegen dort nur langsamer Leitungen.
Dabei könnte der Online-Verkehr noch deutlich ansteigen. Vodafone erklärt darum, man bereite mit anderen Firmen „zeitnahe Ausbaumaßnahmen“vor, um die Filme von „datenintensiven Anbietern wie Netflix und Amazon“besser durchleiten zu können. Die Telekom äußert sich ähnlich.
Falls es eng wird, hat die Branche einen Trick vorbereitet. „Sollte der Datenverkehr, beispielsweise aufgrund einer Ausgangssperre, wie sie in Italien praktiziert wird, auch in Deutschland noch zunehmen, würden Belastungsgrenzen, die sich in erster Linie aus erhöhtem Videostreaming ergeben, vermutlich durch eine Anpassung der Streaming-Qualitäten durch die Anbieter abgefedert“, sagt Eco-Vorstand Klaus Landefeld: „So wird es ja auch schon bei Peaks während der Fußball-WM, bereits gehandhabt.“Anders formuliert: Netflix und Co. werden fleißig Filme ausstrahlen, aber die Bildqualität könnte schwächeln.
Zugleich appellierten europäische Provider an Kunden, sich zurückzunehmen. „Laden Sie nur Dokumente herunter, die Sie wirklich brauchen, und wenn Sie warten können, tun Sie dies in Nebenverkehrszeiten.“Also zwischen 20 Uhr und acht Uhr. Werkzeuge wie Microsoft Teams und Slack sollten ohne ständige Videoverbindung genutzt werden.