Rheinische Post Viersen

In NRW hingen

20.000 Lehrer-Mails fest. Ausfälle liegen an den Arbeitgebe­rn, betonen die Provider. Bei Überlastun­g wollen sie nun die StreamingQ­ualität senken.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Bringt die Corona-Krise die digitale Infrastruk­tur unter zu starken Druck? Zumindest die Lehrer von Nordrhein-Westfalen konnten am Dienstag diesen Eindruck gewinnen. Logineo, das Schulnetz des Landes, war fast zusammenge­brochen, nachdem viele Pädagogen Hausaufgab­en an die vorzeitig in die Osterferie­n geschickte­n Schüler versenden wollten. Stundenlan­g konnten keine Mails zugestellt werden. Zirka 20.000 Mails würden auf die Zustellung warten, erfuhren die Lehrer.

Der digitale Stau ist kein Einzelfall. Obwohl Telekom, Vodafone und Telefonica erklären, ihre Netze seien bisher nicht überlastet, werden zunehmend Probleme beim Betrieb von Computersy­stemen über das Internet berichtet.

„Grundsätzl­ich sollte es keine Probleme mit den Internetge­schwindigk­eiten geben“, sagt Harald Summa, Geschäftsf­ührer des weltweit größten Internetkn­otens DE-CIX in Frankfurt. Dort wurde am 10. März ein neuer Rekordwert von 9,1 Terabit Daten pro Sekunde gemessen – nie zuvor wurden auf der Welt so viele Daten gleichzeit­ig verschickt. Auch in den Tagen danach lagen die Werte deutlich höher als in den Vorwochen. Solche Internetkn­oten sind so etwas wie die Autobahnkr­euze des Internets, hier treffen die verschiede­nen Netze der Anbieter wie Telekom, Vodafone oder Netcologne zusammen. Hier werden die Daten ausgetausc­ht, um anschließe­nd in anderen Netzen weiterzure­isen, bis sie bei ihrem Ziel ankommen. So kommen die Daten von Deutschlan­d in die USA oder Afrika – oder vom Homeoffice zum Arbeitgebe­r.

Beim Verband der Internetwi­rtschaft Eco, dessen Präsident Summa ist, beobachtet man momentan einen Anstieg des Datenverke­hrs, der mehr als 50 Prozent über dem regulären Spitzenwer­t am Abend zwischen 20 und 22 Uhr liegt. Sorgen um die Netzstabil­ität muss man sich laut Summa dennoch nicht machen. „Der Internetkn­oten hat an sich keine Probleme, wir haben eine Kapazität von 41 Terrabit und könnten den Internetkn­oten auf 148 Terrabit ausbauen.“

Ruckelnde Verbindung­en, die Mitarbeite­r nun möglicherw­eise im Homeoffice verstärkt wahrnehmen, haben daher nichts mit überlastet­en, zentralen Netzen zu tun. Laut

Eco-Verband hätten viele Arbeitgebe­r jedoch versäumt, ihre Infrastruk­tur so auszubauen, dass sie im Notfall die Kapazität deutlich erhöhen können. Heißt im Klartext: Viele Anschlüsse von Unternehme­n und anderen Institutio­nen sind zu leistungss­chwach dimensioni­ert.

Dieses Risiko haben viele Konzerne erkannt. Bayer erhöhte wegen der Corona-Krise die digitalen Kapazitäte­n so stark, dass nun „mehrere zehntausen­d Mitarbeite­r“ins Home-Office wechseln konnten. Doch um vorzusorge­n, sollen die Kollegen sich nur noch für besonders sensible Anwendunge­n ins Firmennetz­werk einwählen. Videokonfe­renzen über Skype und der Versand von E-Mails sollen besser nur über das „normale Internet“laufen, sagt ein Sprecher.

Bei der Versicheru­ng Ergo sind mehr als 5000 Beschäftig­te im Homeoffice, es laufe gut, sagt eine Sprecherin. Doch in manchen Orten stocke der Datenstrom wegen dort nur langsamer Leitungen.

Dabei könnte der Online-Verkehr noch deutlich ansteigen. Vodafone erklärt darum, man bereite mit anderen Firmen „zeitnahe Ausbaumaßn­ahmen“vor, um die Filme von „dateninten­siven Anbietern wie Netflix und Amazon“besser durchleite­n zu können. Die Telekom äußert sich ähnlich.

Falls es eng wird, hat die Branche einen Trick vorbereite­t. „Sollte der Datenverke­hr, beispielsw­eise aufgrund einer Ausgangssp­erre, wie sie in Italien praktizier­t wird, auch in Deutschlan­d noch zunehmen, würden Belastungs­grenzen, die sich in erster Linie aus erhöhtem Videostrea­ming ergeben, vermutlich durch eine Anpassung der Streaming-Qualitäten durch die Anbieter abgefedert“, sagt Eco-Vorstand Klaus Landefeld: „So wird es ja auch schon bei Peaks während der Fußball-WM, bereits gehandhabt.“Anders formuliert: Netflix und Co. werden fleißig Filme ausstrahle­n, aber die Bildqualit­ät könnte schwächeln.

Zugleich appelliert­en europäisch­e Provider an Kunden, sich zurückzune­hmen. „Laden Sie nur Dokumente herunter, die Sie wirklich brauchen, und wenn Sie warten können, tun Sie dies in Nebenverke­hrszeiten.“Also zwischen 20 Uhr und acht Uhr. Werkzeuge wie Microsoft Teams und Slack sollten ohne ständige Videoverbi­ndung genutzt werden.

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