Was bei Asterix alles geschummelt ist
Der neue Band „Tempus Fugit“schaut auf die wahren Mythen und falschen Fakten des Comics.
GALLIEN Gut, dass dieses Buch erst jetzt erscheint – also nach dem Tod des großen Albert Uderzo vor wenigen Tagen! Denn irgendwie ist es nicht fair, das Lebenswerk des Asterix-Zeichners und späteren Texters derart akribisch zu examinieren. Natürlich werden unsere schöne, heitere Asterix-Welt und damit unsere Kindheit, Jugend sowie alle nachfolgenden Jahre nicht in ihren Grundfesten erschüttert. Das nicht. Aber wer die weltbedeutenden Abenteuer der Gallier unter die strenge Lupe historischer Wahrheit nimmt, zerstört zwangsläufig manch liebgewonnene Fabel.
Und so geschieht es, dass morgen „Tempus Fugit“in deutscher Übersetzung erscheint. Das heißt – für alle nicht fließend Latein sprechenden Leser: Die Zeit geht dahin. Das ist natürlich originell und ansatzweise auch poetisch. Doch tritt das wahre Anliegen seines Autors Bernard-Pierre
Molin, der Drehbuchautor ist und als Asterix-Experte bereits mit dem Opus „Unbeugsame Lateinzitate“in Erscheinung trat, erst in der Unterzeile hervor. Diesmal geht es Molin nämlich um „Wahre Mythen und falsche Fakten“, um knallharte Aufklärung also; auf gut Deutsch um die Frage aller Fragen: Was stimmt bei Asterix und was ist mehr oder weniger geschummelt?
Fangen wir ganz oben an, bei Majestix, Häuptling und Chef der gallischen Widerständler. Wurde er seinerzeit tatsächlich auf dem Schild stehend durch die Gegend getragen? Eher nicht, denn das war eine Speziaität der Germanen jenseits des Rheins und nicht der Kelten, weiß Molin. Der Hausschmuck des Häuptlings dagegen ist authentisch. Tatsächlich fanden die gallischen Führer es chic, Trophäen an den Türrahmen zu hängen, besonders die Köpfe bezwungener Feinde, was Gäste – je nach Verwesungsgrad des Schädels – bestimmt nicht so toll fanden. Bei Majestix finden sich allerdings sehr gesittet nur Köpfe von Ochsen an der Hausfassade.
Der Wunsch der Gallier, dass ihnen der Himmel nicht auf den Kopf falle, ist zwar belegt, jedoch in einem anderen Kontext. Es waren gallische Gesandte, die Alexander dem
Großen auf die Frage, wovor sie sich fürchteten, dies zur Antwort gegeben haben sollen: dass ihnen besagter Himmel auf die Rübe fällt. Das war lange vor Asterix, nämlich 335 v. Chr. Ein anwesender General hat den Spruch notiert, Alexander der Große aber soll das für pure Angeberei gehalten haben (was bei Kenntnis gallischer Großmaulerei wahrscheinlich auch nicht so ganz falsch gewesen sein dürfte).
Insgesamt 70 „Fakten“hat Molin untersucht und dabei auch manch Zutreffendes entdeckt. Etwa die Rolle der Frauen, die bei den alten Galliern tatsächlich emanziptiert waren und sogar Stimmrecht auf den Stammesversammlugen hatten. Vom Selbstbewusstsein der Frauen weiß im Dorf der Unbeugsamen vor allem Methusalix zu erzählen, der mit einer hübschen, resoluten jungen Frau verheiratet ist. Wobei die echten Gallier in diesem Fall fortschrittlicher waren als die Comicschöpfer gut 2000 Jahre später, die Volkschören, mit ihrem oft abrupten Wechsel von Farbe und Licht kommt es tatsächlich zu Thriller-Strukturen.
Für Neulinge ist die „Matthäus-Passion“dagegen ein langes Lied, mehr als drei Stunden unaufhaltsamer Weg zum Kreuzestod – wenn Bach nicht so schön und sogar süß wäre, müsste man von einer Bußübung sprechen. Umso wichtiger ist, dass man einen exzellenten Erzähler hat, der einen als Tenor durch das Evangelium begleitet.
Masaaki Suzuki und das großartige Bach-Collegium Japan haben den jungen Evangelisten Benjamin Bruns, der mit erstaunlicher Wendigkeit und wunderschönem Timbre Bericht erstattet, ohne auch nur eine Sekunde in Weinerlichkeit abzugleiten. Leider lässt sich ausgerechnet Altmeister Suzuki dazu hinreißen, in den fast objektiven Chorälen, in denen die imaginäre Gemeinde ihre Kirchenlieder singt, interpretatorisch rumzufummeln. Einmal heißt es: „Du bist ja nicht ein Sünder“– sein Chor muss das im Staccato, also mit seltsamem Gehüpfe, singen. Befremdlich!
Solche Eskapaden leistet sich Stephan Macleod in Genf nicht. Mit Chor und Orchester der Gli Angeli Genève vertritt er Bach mit traditioneller, aber keine Sekunde langweiliger Gesinnung. In dem nicht minder famosen Werner Güra hat Macleod den Typ des wissenden Evangelisten, der das Ende der Geschichte kennt, das aber nicht musterschülerhaft durchklingen lässt. Und wer von Dorothee Mields‘ Arien nicht erreicht wird, dessen Herz ist wohl bereits ins Stadium der Versteinerung getreten. So schön, so innig, so kostbar wie die Künstlerin aus Dinslaken singen die Sopranarien nur wenige Kolleginnen auf der Welt.
Suzuki und Macleod operieren mit Mini-Chören, mit drei, vier Leuten pro Stimmgruppe. Das bedeutet bei der doppelchörigen „Matthäus-Passion“, dass nur knapp 30 Leute auf dem Chorpodest stehen. Früher, als es noch keine historisch informierte Aufführungspraxis gab, waren es oft 120 oder mehr. Nicht selten singen in den modernen Chören die Gesangssolisten mit. Bei Bach war es nicht anders.
Die „Matthäus-Passion“bietet eine Fülle an epischer Betrachtung, an Ausführlichkeit. Sie erzählt nämlich die langhaarige Blondine in allen Heften namenlos ließen.
Und Asterix selbst? Nun, den tollen Flügelhelm gab es tatsächlich, nicht aber beim uralten Kriegervolk, sondern auf einer Zigarettenpackung. Der Grafiker Jacno hatte den Kopfschmuck 1925 für „Gauloises“entworfen, und Albert Uderzo und Renè Goscinny fanden den so toll, dass sie für ihren Comic-Helden einfach kopierten.
Widschweine kamen übrigens auch nicht auf den Tisch der Krieger. Die Jagd war allenfalls der Oberschicht erlaubt. Man züchtete damals Vieh und begnügte sich mit Linsen und Saubohnen. Ach ja, und natürlich mit Hunden, die ebenfalls ganz gerne verspachtelt wurden. Auch war ihr Fell beliebt. Wie gut, dass auch Idefix von all dem nichts erfahren musste.
Info Bernard-Pierre Molin: „Tempus Fugit“. Egmont Comic Collection, 15 Euro; ab 2. April im Handel.
gleichsam in barockem Cinemascope. Die „Johannes-Passion“dagegen hat keine lineare Mitte, sie ist viel theologischer, nachdenklicher, auch extremer. Einen so vergeistigten Choral wie „Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn“mit seiner aufreizend-spirituellen Chromatik findet man in der „Matthäus-Passion“nicht. Sie hingegen birgt den kurzen „Wahrlich“-Chorsatz, in dem die Welt nach Jesu Tod in erkennendem Schrecken den Atem anhält.
Nicht immer glücklich wird man mit Hans-Christoph Rademanns Einspielung der „Johannes-Passion“. Ihre Natürlichkeit schlägt irgendwann in Unverbindlichkeit um, und der Altus von Benno Schachtner ist in seiner wummernden Diktion nicht leicht zu ertragen. In Philippe Herreweghes Neuaufnahme des Werkes kommen die prismatischen Brechungen, die sich aus seiner Lektüre des Evangeliums ergeben, viel besser heraus. Doch geht auch er neue Wege, und die führen ihn zu Manierismen. Die Choräle nutzt er ebenfalls, um sie expressiv zu personalisieren. Leider ist Maximilian Schmitt der schwächste Evangelist: zu viel Vibrato, zu wenig Kontur.
Zum Glück singt Mields auch hier mit. Wenn sie das „Zerfließe, mein Herze“anstimmt, tritt der Tod uns nahe. Theologisch aber birgt er die Erlösung der Welt. Bachs Musik ahnt das – sie weint und tröstet zugleich.