Wachs in Schichten wird zum Kunstwerk
Die Mönchengladbacher Künstlerin Christiane Behr arbeitet bevorzugt mit Wachsen und Harzen. Ihr besonderes Interesse gilt dem Licht. Für die selbstständig Kulturschaffende brechen zurzeit in Folge der Corona-Krise die meisten Einnahmen weg.
MÖNCHENGLADBACH Eigentlich kommt Christiane Behr mit ihrer Kunst finanziell gut zurecht. Kunstprojekte in Zusammenarbeit mit dem Museum Abteiberg und dem Atelier Strichstärke sind ihr ein persönliches Anliegen, bedeuten aber auch zusätzliche Einnahmequellen bei der Realisierung einer unabhängigen Kunst. Doch zurzeit ruht das kulturelle Leben in Folge der Corona-Krise weitgehend – zumindest analog. Museen sind geschlossen.
„Für selbständige Kulturschaffende brechen jetzt die Einnahmenquellen weg“, sagt die Künstlerin ernst, doch noch gelassen. Bewusst überspitzt versichert sie, dass eine augenblickliche Auftragsarbeit ihr aktuell das Leben rette. Das noch zum Aushärten auf zwei Böcken ruhende Werk ist ein aus Wachsen und Harzen geschichtetes Objekt. In unmittelbarer Nachbarschaft steht ein kleineres, würfelförmiges Werk aus gleichen Werkstoffen.
Die vollendete Arbeit birgt im Inneren eine Lichtquelle, wie sie das andere Objekt noch erhalten soll. Dank der inneren Beleuchtung entfaltet sich ein eigenwilliges Spiel von Transparenz und Verdichtung. Wechselt die Farbe zum Beispiel vom flammenden Rot in ein dezentes Violett, scheinen sich die Konsistenz diffuser Nebelschwaden und Strukturen kompakter Partikel zu verändern. Heutige Technik und die eingefügte LED-Lichtquelle geben dem Betrachter Gelegenheit, den Farbton zu steuern und der eigenen Befindlichkeit anzupassen. „So kann er sich selbst mit einbringen. Es geht ja nicht um mich, sondern um ihn“, sagt Behr.
Über integrierte Beleuchtung betont die Künstlerin das Thema Licht, das sie seit Jahren umtreibt. In früheren Werken prägte äußerlich einwirkendes Licht in natürlich wechselnder Intensität Charakter und Ausstrahlung eines Werks entscheidend mit. Gerade diese Veränderbarkeit durch äußere Einflüsse reizt
Behr bis heute.
Die Künstlerin erlegt sich einen Arbeitsplan auf und lässt sich zugleich auf den kalkulierten Zufall ein. „Da ich mit einer geschlossenen Gussform arbeite, sehe ich erst im Nachhinein, was tatsächlich rauskommt“, sagt die Mönchengladbacherin.
Sie schichtet Wachse und Harze zu Wandobjekten und freistehenden Objekten. Darüber hinaus bindet sie mitunter Kunststoffabfälle ein, die zu eigenwilligen Strukturen werden und beim Verzicht auf kristallklare Flächen auf die Lichtwirkung einwirken. Im Inneren
der Objekte scheinen Formen und Farben zu fließen, sich absetzende Pigmentreste entfalten sich zu Farbmeteoriten wie auch wolkigen Gespinsten.
Angesichts der kompakten Formgebung und ausgeprägten Haptik der Werke mag es überraschen, dass
Behrs künstlerische Vita ihre Wurzeln in der Textilkunst hat. Behr studierte in Maastricht textile Bildhauerei. In der Neigung zum Aufbau in Schichten lässt sich auf den zweiten Blick die Verbindung zu den Anfängen erkennen.
Auf der Suche nach einer Möglichkeit, geschichtete Gewebe zu festigen, entdeckte die 50-Jährige für sich Harze wie auch Wachse und war fasziniert. Sie probierte unterschiedliche Aggregatzustände der verwendeten Werkstoffe aus. Mit der Lust am Experiment stieß sie auf das im Vergleich zum natürlichen Harz stabilere Epoxitharz, das auch für den Außenbereich geeignet ist. Sie probiert aus, wie sich dessen Beschaffenheit mit den Wachsen verbindet. Behr ist der umsichtige Umgang mit Werkstoffen wichtig. Sie arbeitet ressourcenbewusst im minimalen Materialeinsatz.
Bei der Arbeit anfallende Abfälle werden wiederverwertet. Oberhalb der ins Atelierhaus an der Steinmetzstraße führenden Tür hängt ein Lichtobjekt. Im Kern ist es verwandt mit den anderen Werken. Die äußere Begrenzung aber gibt ein Leuchtkasten vor. Der sollte mangels Funktion entsorgt werden, nun aber birgt er dank Behr geheimnisvolle Vielfalt.