Zocken im Homeoffice
Die E-Sports-Branche erlebt in der Corona-Krise einen Boom. Weil auch viele traditionelle Vereine nun auf virtuelle Wettkämpfe setzen.
DÜSSELDORF Die Fußball-Bundesliga ist bis Ende April unterbrochen, die French Open auf den Herbst verschoben, die Olympischen Spiele und die Fußball-Europameisterschaft sind auf das nächste Jahr verlegt. Die Corona-Pandemie hat den Sport fest im Griff. Eine Branche erweist sich indes als besonders krisensicher und erlebt in diesen Tagen sogar einen beachtlichen Aufschwung. Immer mehr entdecken E-Sports als Alternative für sich.
Gegenüber den „realen“Sportarten gibt es einen großen Vorteil: Spiele können auch von zu Hause vor dem eigenen PC oder an der Konsole stattfinden – also Zocken im Homeoffice. „Die Teams verlegen ihren Trainings- und Spielbetrieb nach Hause, damit sozialer Kontakt so gut wie möglich vermieden wird“, sagt Hans Jagnow, Präsident des E-Sports-Bundes Deutschland (ESBD).
Viele Sportarten haben ziemlich schnell umgeschwenkt und ihr Angebot in dem Bereich ausgebaut. Die Deutsche Fußball-Liga veranstaltet die sogenannte „Bundesliga Home Challenge“. Dabei traten am vergangenen Wochenende erstmals 26 Fußballklubs der 1. und 2. Bundesliga in in dem Konsolen-Spiel „Fifa 20“gegeneinander an.
Die Mannschaften bestehen dabei aus zwei Spielern: einem Fußball-Profi und einer weiteren Person aus dem Klub. Theoretisch ein klarer Vorteil für Bundesligisten mit einer E-Sports-Abteilung. Werder Bremen zählte eigentlich zum Favoritenkreis, kommt aber auch in der virtuellen Welt nicht so recht in die Gänge. Das Team der Norddeutschen besteht aus Profi-Kicker Maxi Eggestein und dem deutschen Einzelmeister, Michael „MegaBit“Bittner. Er konnte jüngst die Titelverteidigung mit Werder in der Mannschaftsmeisterschaft der Virtual Bundesliga feiern. Im Turnier kassierten beide allerdings eine 4:5-Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg. Der nächste Spieltag ist am kommenden Wochenende, übertragen werden die Begegnungen auf YouTube. Bayer Leverkusen ist auch mit einem Team vertreten.
Borussia Mönchengladbach hat seit 2019 ein E-Sports-Team. In der vergangenen Saison wurde es Vierter in der E-Sports-Bundesliga. Gladbach wird am Wochenende in das Turnier einsteigen. Insgesamt sind dann 30 von 36 Profi-Klubs dabei. Borussia wird durch einen Spieler aus dem Profi-Kader (steht noch nicht fest) sowie den Gladbacher E-Sportler Yannick Reiners, der als „Jeffryy95“spielt, vertreten. Im ersten Duell treffen die Borussen am Samstag um 21.20 Uhr auf ein Schiedsrichter-Team mit Deniz Aytekin und Daniel Schlager.
Reiners bleibt sowieso am digitalen Ball. Am 22. März hatte er mit dem Leverkusener Kai Wollin das abgesagte Rheinduell Borussia gegen Leverkusen gespielt und durch ein Tor mit dem digitalen Avatar von Breel Embolo 1:0 gewonnen. Am vergangenen Wochenende, als Borussia noch nicht mitmischte in der Home Challenge der DFL, hat
Reiners einen Freundschafts-Kick gegen Profi Florian Neuhaus absolviert. 1:0 gewann der E-Sportler, das Spiel. Es ist, inklusive des Nebenbei-Plausches der beiden Akteure, beim Videoportal YouTube zu sehen.
Fortuna Düsseldorf ist auf der digitalen Wiese nicht dabei. „Die grundsätzliche Haltung bleibt, dass wir keine E-Sports-Abteilung aufmachen. Ob man punktuell irgendeine Fifa-Geschichte macht, würde ich aber nicht kategorisch ausschließen“, sagt Fortunas Mediendirektor Kai Niemann.
Für E-Sports ist die aktuelle Situation eine Chance, ganz neue Zielgruppen anzusprechen. Die Bewegung ist schon längst aus der Schmuddelecke rausgetreten, es ist zu einer Massenbewegung geworden – vor allem für Jugendliche.
„Eine Stärke des E-Sports war immer schon, soziale Nähe über räumliche Entfernungen herzustellen. Die Spieler treffen sich nach wie vor im digitalen Raum, um miteinander zu spielen und sich auszutauschen“, sagt Jagnow. „Um die Bedeutung dessen zu unterstreichen: Auf der Spieleplattform Steam waren kürzlich über 20 Millionen Spieler gleichzeitig online, bei der Streamingplattform Twitch waren 239 Millionen zugegen, die selber gestreamt oder zugeschaut haben. Das sind Rekordwerte.“Rund 220 Vereine in ganz Deutschland sind inzwischen im E-Sport-Bund registriert.
Auch andere Sportarten schwenken um. Die Formel-1-Fahrer, deren Saisonauftakt in Australien auf unbestimmte Zeit verschoben worden
DÜSSELDORF (klü) Nordrhein-Westfalen plant nach Informationen unserer Redaktion, infolge der Verschiebung der Olympischen Spiele um ein Jahr die Förderung der in den Sportfachverbänden angestellten Trainer bis 31. Dezember 2021 zu verlängern. Damit will das Land Kurzarbeit für die Trainer vermeiden und eine kontinuierliche Trainingsarbeit mit den Athleten gewährleisten. Die Finanzierung von Trainer-Verträgen ist in der Regel an den vierjährigen Olympischen Zyklus geknüpft. In besonderen Situation wird der laufende Zyklus somit auf fünf Jahre verlängert, der kommende hin zu den Spielen von 2024 in Paris soll dann auf drei Jahre verkürzt werden.
In einer Umfrage des Bundesverbandes der Trainer im Deutschen Sport (BVTDS) hatten zwei Drittel von 100 befragten Bundestrainern angegeben, sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, sei es wegen der Corona-Krise oder weil der Job befristet sei. Die Olympischen Spiele waren am Montag in den Sommer 2021 verschoben worden. war. Beim sogenannten „Not the Aus GP“wurde das Rennen von 20 Fahrern im Spiel F1 2019 nachgespielt. Unter den Teilnehmern waren sowohl E-Sportler als auch Rennfahrer wie Lando Norris vom Formel-1-Rennstall McLaren. Der Brite ist auch in seiner Freizeit als Streamer aktiv, beim „Not the Aus GP“schauten ihm sogar bis zu 50.000 Leute zu.
Für die weiteren abgesagten Rennen ist eine Fortsetzung geplant. „Der traditionelle Sport entdeckt verstärkt die Chancen, die E-Sports bietet: Der deutsche Fußball schafft Alternativen zur Bundesliga, die erste spanische Fußballliga wird auch digital ausgetragen. Es geht noch weiter: Im Radsport stehen Überlegungen an, und im Eishockey werden auch die Vorteile des E-Sports erkannt. Als ESBD freuen wir uns sehr darüber, dass in solch schwierigen Zeiten der E-Sport eine wichtige Hilfe sein kann.“
Für die Branche ist das alles ein willkommener Schub. Schon seit Jahren wird hinter den Kulissen gerungen, wie man mit E-Sports umgeht. Die Politik würde gerne, dass der organisierte Sport den virtuellen Bereich mit aufnimmt. Doch besonders der Deutsche Olympische Sport-Bund (DOSB) tut sich damit schwer und hat in einem (selbst bestellten) Gutachten im vergangenen Jahr attestiert bekommen, es handele sich nicht um Sport. So zumindest die Feststellung des Düsseldorfer Juristen Peter Fischer. Der Begriff Sport sei „durch die langjährige Rechtssprechung im traditionellen Sinne der Anforderungen an die Körperlichkeit konkretisiert“, heißt es in dem Dokument.
Der DOSB unterscheidet seit dem Herbst vergangenen Jahres beim E-Sports zwischen Sportartensimulationen wie dem Fußballspiel „Fifa“, die sich eng am eigentlichen Sport orientieren und für Vereine und Verbände Potenzial für deren Weiterentwicklung böten, und sportfernen Spielen wie Counter Strike, League of Legends oder virtuelle Kartenspiele.
Dem Verlangen des E-Sports, als gemeinnützig anerkannt zu werden und damit unter anderem steuerliche Vorteile zu genießen, erteilt das Gutachten damit eine Absage. Der ESBD dagegen wehrt sich gegen eine Spaltung seines Angebots und verweist darauf, dass viele vom DOSB anerkannte Sportarten auch nur bedingt alle Kriterien erfüllen. „Sportschießen, Tischfußball oder Darts definieren sich über die Präzision der Bewegung, nicht den Umfang“, sagte Jagnow der Deutschen Presse-Agentur. E-Sports unterschiedlich zu behandeln, sei vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes nicht tragbar.
„Eine Stärke des E-Sports ist, soziale Nähe über Entfernungen herzustellen“Hans Jagnow ESBD-Präsident
Land will Förderung von Trainern bis Ende 2021 verlängern